Narzissmus

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Keyword: Narzissmus

Links: Größe, Ich, Narzisse, Schönheit, Selbst, Spiegel, Spiegelung

Definition: Der Ausdruck Narzissmus (übersteigerte Selbstliebe, Ich-Bezogenheit) zusammen mit dem Adjektiv narzisstisch wurde ursprünglich von Freud gewählt zur Bezeichnung seiner Beobachtungen, dass nicht nur dem Liebesobjekt sondern auch dem eigenen Ich Sexualenergie (Libido) zugeführt wird. Später wurde der Begriff nicht nur auf konkretes Sexualverhalten bezogen, sondern erweitert auf die Konzentration seelischen Interesses auf das Selbst.

Information: Man unterscheidet gesunde und pathologische Formen des Narzissmus Unter ersterer wird die Fähigkeit zu einem guten Selbstwertgefühl, einer genügend realistischen Einschätzung seiner selbst, zu "liebender" Akzeptanz des eigenen So-Seins und eines kreativen Interesses für die eigene Selbstverwirklichung gesehen. Ein pathologischer Narzissmus bzw. eine narzisstische Persönlichkeitstörung zeigt sich u. a. in überwertiger Selbstbezogenheit, in einer Instabilität in der Selbstwerteinschätzung, in Schwankungen von Gefühlen eigener Besonderheit, Großartigkeit zu solchen totalen Unwerts und in einem Mangel an Einfühlung in die Seinsweise anderer Menschen. Es besteht "narzisstische Kränkbarkeit", d. h. Überempfindlichkeit gegenüber leisesten Anzeichen von Infragestellung des eigenen Selbstwerts vonseiten der Umwelt.

Es ist der Mythos von dem schönen Jungling Narzissus, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt hatte, welcher dem modernen Begriff des Narzissmus Pate gestanden hat. Die älteste Fassung der mythischen Erzählung ist uns in Ovids Metamorphosen überliefert. (Ovid, 1980). Narziss ist ein schöner, begehrenswerter Jüngling, der aber all diejenigen, die ihm in Liebe nahen wollen, verschmäht. Es ist vor allem die Nymphe Echo (Echo), die sich leidenschaftlich in Narziss verliebt - sie, die ihrem Wesen entsprechend nur Worte, die sie gehört hat, wiederholen kann. Auch sie wird von Narziss brüsk abgewiesen. Er wird von Nemesis, der Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit, mit dem gleichen Leiden bestraft, das er anderen zufügt. In einem „lauteren Quell mit silberglänzendem Wasser“ erblickt Narziss nun einen herrlich schönen Jüngling, in den er sich sogleich heftigst verliebt - ohne zunächst zu merken, dass es sich um sein eigenes Spiegelbild handelt. Es dauert (bei Ovid) ziemlich lange, bis ihm die schmerzliche Erkenntnis plötzlich einfährt: „Ach, ich bin es ja selbst.“ Er kommt aber von der Faszination durch sein eigenes Spiegelbild nicht mehr los, verharrt vor ihm, bis er daran stirbt. Aber selbst in der Unterwelt fährt er fort, sich im Flusse Styx zu spiegeln. An der Stelle, wo er gestorben war, wuchs jedoch die Blume Narzisse.

Interpretation: Neben dieser ältesten bekannt gewordenen Version gibt es bereits in der Antike eine ganze Reihe verschiedenster Varianten des Narziss-Themas, wobei es neben den negativen Deutungen der Narzissfigur auch positive gibt. Natürlich wurde immer die Gefahr der Eitelkeit betont, wie z. B. vom Kirchenvater Clemens von Alexandrien, der darin eine Warnung sah - vor allem an Frauen - nicht vor dem Spiegel zu stehen und die Schönheit mit künstlichen Mitteln verbessern zu wollen. Aber Bacon im 17. Jahrhundert meint bereits, dass Selbstliebe und Eitelkeit zwar fragwürdig seien, aber doch auch Anregungen zu den verschiedensten guten Aktivitäten sein können. Narziss wurde auch als „keuschester aller Liebenden“ aufgefasst und selbst mit Christus verglichen. Auch A. Gide (1891) und R. M. Rilke (1913) sehen in Narziss ein Symbol des meditierenden und verzichtenden Geistes, was auch auf Herrmann Hesse in “Narziss und Goldmund“ (1930) nachgewirkt hat.

Es gibt eine ganze Reihe psychologischer Deutungen und Betrachtungen dieses Mythus auch aus Sicht der Analytischen Psychologie. Ihnen ist gemeinsam, dass sie die Liebe des Narziss und sein daraus folgenden Tod nicht ausschließlich als eitle Selbstbespiegelung betrachten, sondern immer auch einen vielschichtigen Wandlungsprozess hervorheben. Der Narziss-Mythus scheint nicht nur von Selbstverliebtheit im engeren Sinne zu handeln, sondern auch von dem menschlichen Drang nach Selbst-Entdeckung und Selbst-findung und von der Sehnsucht und Möglichkeit, die engeren Formen narzisstischer Problematik zu transzendieren.

Literatur: Standard

Autor: Jacoby, Mario