Backen

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Keyword: Backen

Links: Ähre, Alchemie, Backwerk, Brot, Feuer, Ofen, Wandlung

Definition: Backen (mhd. backen, ahd. backan, urspr. = wärmen, rösten) bedeutet, aus verschiedenen Zutaten einen Teig zu bereiten und diesen durch Einwirkung der dem jeweiligen Produkt entsprechenden Hitze und Luft im Backofen locker, gar und genießbar machen. Der Teig bekommt bei diesem Vorgang eine mehr oder weniger dunkle und feste Kruste.

Information: Backen setzt den Anbau von Getreide sowie die Entwicklung des Backofens, manchmal im Süden Deutschlands und in Österreich auch Backröhre genannt, voraus. Brot ist Jahrtausende altes gebackenes Grundnahrungsmittel. Vorläufer der im Ofen gebackenen Laibe sind die in praktisch allen Ackerbaukulturen bekannten, auf Stein gebackenen, dünnen Fladenbrote.

Interpretation: Backen ist, wie auch das Mahlen des Mehls, ein weibliches Urmysterium und Wandlungsgeschehen. Es ist traditionell "Kunst und Aufgabe" der Frauen, Nahrung zu spenden (Muttermilch) und Nahrung zu bereiten bzw. Stoffe in Nahrung zu wandeln. Ihre Geschicklichkeit und Handarbeit ist es, aus den Stoffen der Ur-Natur deren körperlich, emotional und geistig wohltuende, nährende und kräftigende Substanz zu gewinnen. Nicht nur in der Zubereitung von Rauschtränken und besonderen Nahrungsmitteln, sondern gerade in der Zubereitung der ganz basalen alltäglichen Nahrung liegt eines der Urmysterien. Der Backvorgang steht wie das Kochen dem alchemistischen Prozess mit seinen verschiedenen Phasen und vielfältigen symbolischen Zusammenhängen sehr nahe: Nach einer guten Vorbereitung des Ausgangsmaterials (prima materia) durchläuft dieses unter Einwirkung von feuriger Energie und sorgfältiger Berücksichtigung von rechter Zeit und rechter Temperatur einen Wandlungsprozess, bis es seinen optimalen Zustand erreicht hat.

Aus dem im Dunkel der Erde gestorbenen und neu keimenden Samenkorn reift mit Hilfe der Nährstoffe von Erde und Wasser und der Winde und der Sonne das Getreide. Über lange Jahrtausende sind die Körner mühsam mit dem Mahlstein von knieenden Frauen zermahlen worden. Mit Wasser und genügend Wärme im Backtrog stehen gelassen, geschieht mit dem gemahlenen Getreide eine magische Verwandlung: der Gärprozess, der den angerührten Teig gleichsam zum Leben erweckt. Mit Mehl und anderen Zutaten wie Samen und Kräutern wird dieser Teig gewalkt und geknetet, eine rhythmische und rundende Bewegung. Nach erneutem Warten und Gären setzt eine nächste Wandlung ein: Der zugedeckte Teig verdoppelt sein Volumen im Backtrog auf geheimnisvolle Weise. Er darf dabei nicht beobachtet werden, weil er vor Zugluft geschützt werden muss. Kunstvoll wird er nun mit den Händen geformt; der geformte Teig wird noch einmal unter schützenden und wärmenden Tüchern verborgen. Im eigenen Backofen oder dem gemeinschaftlichen Backhaus erfährt der feuchte, zäh-klebrige, geformte Teig seine letzte Wandlung und wird zum goldbraunen, köstlichen, duftenden Gebäck, z. B. zum Brotlaib, der von der Hand der Mutter geschnitten und am Familientisch verzehrt wird oder auch als stärkende Mahlzeit fern von daheim, z. B. in der Schul- und Arbeitspause, dient.

Mit Backen verbinden die meisten von uns Erinnerungen an die Kindheit, häufig solche der Geborgenheit, des Vertrauens, der Wärme, der angenehmen Gerüche. Das Backen des Brotes wird zwar in den modernen Haushalten nur noch selten erlebt, oft verzaubert aber das Kuchenbacken oder die Weihnachtsbäckerei auch heute noch. Das Bild des Backens im Traum oder in Märchen führt häufig in einen positiv besetzten oft auch ambivalenten mütterlich-weiblichen Raum, in die weiblichen Mysterien der Nahrung, des Gehaltenseins, des Schutzes, des Schöpferischen und des Werdens. Der Backofen kann zur Metapher für das Mütterliche und für die Mutter werden. Im Motiv des Backens kann Schwangerschaft angedeutet sein.

Es geht, wenn Backen oder der Backofen als Motiv auftauchen, oft darum, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, zu dem etwas tatsächlich soweit ist, reif ist, aus dem Backofen heraus kann, zu dem es gut ist, vom schöpferischen Ausharren und Abwarten in die schöpferische Aktivität zu kommen. Die "gute Mutter" der Nahrung und des Lebens und die "böse Mutter" des Todes liegen hier ganz nahe beieinander. Die hungrigen Kinder Hänsel und Gretel werden durch das Lebkuchenhaus der Hexe angezogen und geraten in deren Gefangenschaft. Ihre Freiheit gewinnen sie wieder, weil sie die Hexe so lange warten lassen können, bis diese ungeduldig wird. Dann kann es der mutigen Gretel im richtigen Augenblick gelingen, die Hexe in ihren eigenen Backofen hinein zu stoßen, wo sie verbrennt. Auch im Märchen von Frau Holle geht es um die Geheimnisse der Arbeit im weiblich-natürlichen Raum: Zum rechten Zeitpunkt muss das Brot aus dem Ofen geholt und müssen die Äpfel geerntet werden. Wer nicht bereit ist, den richtigen Zeitpunkt wahrzunehmen, auf ihn zu achten, und sich entsprechend zu verhalten, der kann nicht erfolgreich sein.

Literatur: Standard

Autor: Müller, Anette