Opfer

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Keyword: Opfer

Links: Abendmahl, Christus, Jesus, Lamm, Widder

Definition: Das Opfern (lat., sacrificium, „das, was geheiligt ist“) bezeichnet die rituelle Darbringung einer lebenden oder unbelebten Gabe an eine Gottheit, eine numinose Macht, aber auch gegenüber anderen Menschen.

Information: Im Opfern begründet sich eine Beziehung der Gegenseitigkeit zwischen dem Opfernden und dem Empfänger (Mensch, häufiger aber Gott/Götter oder Geist/Geister) bzw. die Beziehung wird wiederherstellt. Das Opfer kommt in beinahe allen Religionen vor, tritt zumeist als eine regelmäßige Verpflichtung auf oder als Erwiderung auf ein Gebot oder eine Forderung, die oft den Grad der Abhängigkeit ausdrückt. Da der Opfernde im Opfer absichtsvoll auf etwas – das Geopferte - verzichtet, kann jedes Opfer als Selbstopfer verstanden werden.

Interpretation: Symbolisch drückt sich das Opfer zunächst im Geopferten aus. Das Geopferte ist zumeist erst durch das Opfern selbst – also darin, dass es als das Zu-Opfernde auserkoren wird – in besondere Weise bedeutungsvoll und ist kulturell höchst vielfältig in Gestalt. Wichtige Symbole sind das Lamm und der Widder. Während in der jüdischen Religion das Lamm im Passahfest geopfert wird, wird im christlichen Verständnis das Lamm als Osterlamm in seiner Gleichsetzung mit Jesus Christus überhöht. In der islamischen Religion ist das wichtigste Opfertier der Widder im Opferfest (al-Adha), wobei Opfern als eine Annäherung an Gott verstanden wird. Neben dem Geopferten ist jedoch das klassisch religiöse Symbol des Opfers der Altar (lat altare sich erheben). Dabei kann jede natürliche oder menschengemachte und gewöhnlich oben flache Erhebung als Ort des Opfers für die Götter ausgewählt werden. Im christlichen Verständnis ist der Altar auch als Eucharistie-Tisch verstanden worden (Abendmahl). In historischer Herleitung von Eucharistie-Feiern auf den Gräbern der Märtyrer ist der Altar in der christlichen Kirche aus Stein. In der katholischen Kirche galt zudem bis 1977 die Regel, dass Altäre Reliquien zu enthalten haben. Dahingegen kann in der evangelischen Kirche der Altar gar nicht direkt als Eucharistie-Tisch verstanden werden, da reformatorisch der Opfercharakter der Eucharistie bezweifelt wurde. Im Hinduismus wohnt im Altar der betreffende Gott, wohingegen sonst zumeist der den Altar beherbegende Tempel als Behausung des Gottes gilt.

Mit Jung versteht sich Selbstopfern als das bewußte Aufgeben einer Ichhaftigkeit, da im Opfer das Selbst den bewusst gemachten Anspruch des Ich gegen das Ich aufgeben muss. Dabei ermöglicht Selbstopfern die Wiedergeburt, die als Wandlung in der Mitte der Person, dem Selbst, stattfindet. Opfern versteht sich somit als Möglichkeitsbedingung der Individuation, insofern sich der Mensch im Selbstopfern sowohl selbst schafft als auch sich individuierter gegeben wird. Dieses Verständnis des Opferns als Geschehen menschlicher Wandlung und Individuation entspricht dem vorbenannten Geschehen des Opferns, betont jedoch die individuelle Symbolik als Ausdruck der eigenen Lebensgeschichte. In diesem Sinne sprechen Menschen heute insbesondere im übertragenen Sinne von Opfern. Insbesondere das Reden vom Opfern ideeller Güter, die der Mensch gar nicht zu besitzen vermag, verweist auf das Geschehen der Individuation im Opfern. So wird das Reden vom „Ich opfere meine Zeit für…“ erst dadurch verständlich, dass dasjenige, was in der Zeit sonst hätte geschehen oder vollbracht werden können, in Anschlag gebracht wird. Hier erweist sich der Verzicht auf etwas, was sonst als wichtig bewertet wird, als Nachweis des Selbstopfers. Kann dieses Selbstopfer – also dasjenige, was anstatt des anderen wirklich geschah – als Annäherung an das Selbst in seiner Unerschöpflichkeit verstanden und gelebt werden – also als ein mir Gemäßes –, ist sich dieser Mensch aufs Ganze gesehen klarer geworden.

Literatur: Standard

Autor: Schlimme, Jann