Besucher, der geheimnisvolle und Pfingsten: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Keyword:''' Besucher, der geheimnisvolle
'''Keyword:''' Pfingsten


'''Links:''' [[Außerirdischer]], [[Engel]], [[Hermes]]
'''Links:''' [[Atem]], [[Christentum]], [[Geist]], [[Gott]], Gottesbild [[Individuation]], [[Logos-Prinzip]], [[Pneuma]], [[Selbst]]


'''Definition:''' Eine archetypische Gestalt meist mit der Funktion eines Begleiters, Beschützers, Führers.
'''Definition:''' Das Wort Pfingsten leitet sich vom grch. pentekoste (der 50.) ab, dem 50. Tag nach [[Ostern]].


'''Information:''' Ich habe dieser Gestalt in meinem Buch "Anthropos" (Ribi, 2002) ein eigenes Kapitel gewidmet, weil sie mir selber in eindrücklicher Weise begegnet war: Zu Beginn meiner ärztlich-psychotherapeutischen Praxis geschah es, dass ich mich an einem Nachmittag in die Praxis begab noch bevor der erste Patient eingeschrieben war. Aus einem dunklen Trieb öffnete ich die Türe zum Wartezimmer, wo ich zu nicht geringem Erstaunen einen fast schlafenden Vagabunden vorfand. Ich weckte ihn und fragte ihn, was er hier suche, in der Annahme, er habe sich verirrt. Da er keine klare Auskunft gab, bat ich ihn ins Sprechzimmer, wo ich mich mit ihm zu unterhalten versuchte. Er wollte mir seine Personalien nicht verraten. Im Gespräch, das durch wiederholten Besuch des WC unterbrochen wurde, brachte ich nur soviel heraus, dass er ein Clochard war, der an einer dafür bekannten Übernachtungsstätte in der Stadt Zürich logierte. Er wies mir auf meine Frage, weshalb er hergekommen sei, bloß ein Retourbillet von der Stadt nach meinem Wohnort vor. Er nannte mich nie beim Namen, sondern bezeichnete mich beim Abschied als "Herr Pfarrer" und bat um ein Almosen: er hatte also weder ein Inserat in der Tageszeitung noch mein Schild am Hause gelesen. Zudem war es unerfindlich, wie er über die Mittagszeit bei geschlossener Haustür hatte hereinkommen können. Er war ein offensichtlicher Trinker und wahrscheinlich etwas betrunken, so dass kein zusammenhängendes Gespräch möglich war. Er hatte auch kein deutliches Anliegen. Vor der Zeit der Ankunft des ersten Patienten entließ ich ihn, um nicht in ein schlechtes Licht bei meiner Klientel zu kommen.
'''Information:''' An Pfingsten haben die Jünger Jesu den heiligen Geist empfangen: "Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder.


Das war "mein" unbekannter Besucher, ein Omen für meine beginnende ärztliche Tätigkeit, das mich zunächst völlig ratlos ließ, bis ich eben diesem Archetypus begegnete. Heute, im Rückblick, ist es mir ein kostbares Erlebnis, das aber allen rationalen Bewältigungsversuchen trotzt, sodass ich demütig mein Nichtverstehen der kausalen Zusammenhänge eingestehen muss, wodurch aber der emotionale Gehalt um so nachhaltiger haften bleibt.
Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab." (Apg. 2, 2-4).


Als ich dieses Erlebnis meinem Analytiker erzählte, berichtete er mir sein eigenes: Zu ihm sei als einer der ersten Patienten ein stadtbekannter Brunnenputzer gekommen, der bereits viele Ärzte wegen seiner Rückenschmerzen aufgesucht hatte. Er war kürzlich sogar von einer Universitätsklinik begutachtet und als Simulant abgestempelt worden. Da er noch nicht viel zu tun hatte, konnte er diesem Mann eingehend annehmen und ihm zu einem neuen Beruf verhelfen, worauf die Beschwerden verschwanden. In der Folge füllte sich seine Praxis, als Dank des Brunnenputzers, mit Leuten mit chronischen Rückenbeschwerden [...] "
Auch jeder wahrhaft gläubige Christ kann nach christlicher Auffassung an diesem Tag durch den Heiligen Geist wiedergeboren werden und damit zu dessen Tempel werden. Als „Pfingstwunder“ wird die wunderbare Fähigkeit der Jünger verstanden, in allen Sprachen zu sprechen und alle Sprachen zu verstehen, womit die „babylonische Sprachverwirrung“ aufgehoben wird, mit der Gott die Menschen für den Turmbau zu Babel bestraft hatte.


'''Interpretation:''' M. von Franz hat diesem Thema einen Aufsatz gewidmet hat: "Der unbekannte Besucher in Märchen und Träumen". Sie geht darin vom Bericht des römischen Dichters Ovid in seinen Metamorphosen aus. Dort beschließen Jupiter und Merkur als ärmliche Wanderer auf die Erde hinabzusteigen, weil die Menschen die Götter vernachlässigten. Nachdem sie von den Reichen überall verstoßen wurden, gelangen sie zu der armseligen Hütte eines Ehepaars, Philemon (der liebevoll Gesinnte) und Baucis (die Zärtliche). Von diesen werden sie liebevoll bewirtet, die sogar den einzigen Gänserich ihnen opfern wollten, um die Wanderer zu ehren. Am folgenden Tag offenbaren sich ihnen die Götter und gestatten ihnen einen Wunsch, der erfüllt werde. Sie erbitten sich, bis zu ihrem Tode und darüber hinaus beisammenbleiben zu dürfen: Als eine Flut als Rache der Götter das Land überschwemmt, bleibt ihre Hütte allein stehen und verwandelt sich in einen prächtigen Tempel, in dem die beiden fortan als Priester und Priesterin leben. Am Ende ihrer Lebenszeit werden sie in zwei Bäume verwandelt, die so nahe beieinander stehen, dass ihre Zweige in ewiger Umarmung verharren. In dieser Gestalt genießen sie kultische Verehrung."Wie es nämlich immer wieder von Zeit zu Zeit im Lauf der Geschichte geschieht", führt von Franz dazu aus, "war damals alles religiöse Leben erstarrt, zu – rein äußerlicher Staatszeremonie geworden – und hatte so seinen seelischen Einfluss auf die Menschen verloren. In der führenden römischen Schicht herrschte Macht statt zwischenmenschlicher Eros vor, Formalität statt innere Erfahrung. Jupiter war nicht mehr eine lebendige archetypische Gestalt der Ordnung in der menschlichen Seele, sondern der Machtgarant des römischen Reiches, und Merkurius entfaltete eher seine Händlerseite, seine Lügenhaftigkeit und seinen Diebescharakter – er war nicht mehr der Überbringer verborgener Botschaften aus dem Jenseits und auch nicht mehr ein Gott der Liebe und Fruchtbarkeit, der er als Kyllenios einst gewesen war. Patriarchale Ordnung überschattete den mütterlichen Bereich der äußeren und inneren Natur [...] Dieses Motiv eines Gottes oder von Göttern, die in verkleideter Form die Menschen aufsuchen, ist ein archetypisches Thema, das in vielen Kulturbereichen auftaucht – aber so will es mir scheinen, immer als Kompensation für eine ähnliche Not: es taucht nämlich dann auf, wenn eine persönliche Begegnung und individuelle Beziehung zum Göttlichen nötig geworden ist, außerhalb der institutionalisierten Formen und Anschauungen religiösen Lebens".
'''Interpretation:''' Der Pfingst-Mythos enthält zwei archetypische Symbole, den Wind-Atem-Geist und das Feuer (Feuerzungen).


Sie amplifiziert das Thema an einigen osteuropäischen Märchen, in welchen Christus und Petrus als unerwartete Besucher auftreten. Die Figur hat stets etwas Numinoses an sich, obwohl sie in niedriger Gestalt auftritt. Das ist eben das Entscheidende an ihr, dass die Maßstäbe des Bewusstseins versagen und dieses sich falsch verhält, sofern es keine religiöse Haltung hat.
Der Wind-Atem-Geist: Das lat. Spiritus, das grch. Pneuma und das hebr. Ruach bedeuten "Geist, Seele, Lebenshauch, Odem, Gedanken, Gesinnung, Mut, Seufzen, Wutschnauben, Begeisterung, Leidenschaft, Verzückung, Weissagegeist, Dichtergeist, Enthusiasmus, Ekstase." Am 50. geschieht Aufwühlendes; eine „Be-geisterung“ überflutet die Christusgläubigen, welche die stürmische Erfahrung machen, dass das Gesetz vom Sinai überwunden ist: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2. Kor. 3, 17)! Der Geist kann nun nicht mehr in Buchstaben eingefangen werden: „Der Buchstabe tötet; der Geist aber macht lebendig“ (2. Kor. 3, 6)! Es geht nicht mehr um den Buchstaben des Gesetzes, sondern um den Geist, der hinter dem Ganzen steht.


Im Judentum ist es Elias, der bei gläubigen Juden durchaus eine lebendige Gestalt ist, dem man bei Tisch ein Gedeck hinstellt. In unzähligen legendenhaften Geschichten erscheint er als plötzlicher Helfer (deus ex machina), der schwere Krankheiten heilt, aus Gefahren rettet, Leute vor Gericht verteidigt, ungerecht Gefangene befreit, Frieden vermittelt zwischen Gegnern, glückliche Ehen stiftet, Unfruchtbare segnet, Arme unterstützt und tröstet, gute Taten vergilt, rät und lehrt. Er erscheint bald als netter alter Mann oder verkleidet als Bettler oder einfacher Bauer. Er hilft vor allem den Einfachen, den Frommen, den Demütigen, denen, die leiden oder die bedrückt sind. Wir kennen derartige Vorfälle aus dem Alltag, denken uns meist gar nichts dabei oder schreiben sie uns selber zu. Doch woher stammt ein rettender Einfall in einer aussichtslosen Situation! Sicher nicht aus dem Ich! Sondern aus dem Unbewussten, das sich manchmal sogar außen personifiziert.
Das Feuer: Von allen Elementen der Alten stand das Feuer dem Göttlichen am nächsten. Auch in der Bibel offenbart sich [[Gott]] vorwiegend im Feuer. „Als sich die Sonne zum Untergang neigte, fiel ein Tiefschlaf auf Abram, und ein grosser Schrecken überfiel ihn: Ein rauchender Ofen und eine Feuerfackel, die hin und her fuhr. So schloss der Herr mit Abram einen Bund" (1. Mose 15, 12. 17). Dem Moses [[offenbart]] sich Gott im brennenden Dornbusch (2. Mose 3, 2), und als Feuersäule geht er nachts seinem Volk voran (13, 21). Die grandioseste Feueroffenbarung ereignet sich am Sinai: Der Gottesberg ist mit Rauch bedeckt; der Herr ist im Feuer und lodert auf dem Gipfel wie ein gierig fressendes Feuer (19, 18; 24, 17). Im Thomas-Evgl. sagt Jesus: „Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe; wer mir fern ist, ist fern vom Leben.“
Log. 82)


Den rabbinischen Weisen erscheint Elias als Lehrer, Berater und persönlicher Freund.
So lässt sich in den Feuerzungen ein Symbol für obere geistige Kräfte im Menschen sehen. Dass die Feuerzungen vom Himmel herab kommen und nicht aus dem Dunkel der Erde herauf steigen, zeigt, dass hier kein niederer Trieb, keine höllische Leidenschaft zur Darstellung gelangt, sondern ein oberer, heller, feinstofflicher, geistiger, unfassbarer Geist. Das Feuer züngelt zerteilt (domestiziert) über den Köpfen der Gläubigen; das Zerteilen des Einen in die Zwei weist auf Bewusstwerdung und Beherrschung der Leidenschaft hin.


Auch C. G. Jung erschien er während seiner Initiationskrankheit, wie er in seinen Erinnerungen (Jung, Jaffé, 1962, S. 184-185) berichtet. In einem Brief aus seinen späteren Jahren (An Père Bruno vom 5. November 1953. GW 18 § 1529) amplifiziert er diesen lebendigen Archetyp. Dieser bringt, wenn er konstelliert ist, neue Formen der Rezeption hervor. Er ist ein psychopompos (Seelenführer), der die Seele auf dem Weg zum Paradies führt. Er tritt daher oft in Aktiven Imaginationen als belehrende und erleuchtende Figur auf.
Die zerteilten Feuerzungen symbolisieren christliche Tugenden wie Erkenntnis, Vernunft, Erleuchtung, Selbstbeherrschung, Verständnis, Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Herzlichkeit und Herzenswärme. Der Pfingst-Mythos zeigt die historische Aufgabe der Kirche: die Bildung des „höheren Menschen“. ([[Individuation]], [[Selbst]])


R. Malamud hat mich auf eine Geschichte aus der Nazi-Zeit aufmerksam gemacht (Yaffa 1982):
'''Literatur:''' Standard


"Der 13-jährige Jakob Garfein war als ungarischer Jude mit seiner Mutter nach Auschwitz deportiert und dort von ihr getrennt worden. Als er unter den Männern auf dem Podium stand, hörte er hinter sich eine Stimme mit polnisch-jiddischem Akzent, die ihn anwies, sich so groß wie möglich zu machen."Wie alt bist du?" "Sechzehn", sagte die Stimme hinter ihm."Was ist deine Beschäftigung, Junge?" Bevor er antworten konnte, sagte die Stimme hinter ihm: "Erlauben Sie, er ist mein Lehrling. Wir zwei sind die grössten Mosaikkünstler der Welt". Jakob drehte seinen Kopf und sah zum ersten Mal in seinem Leben das Gesicht des polnischen Juden, seine großen, tiefsitzenden Augen, seinen weissen Stoppelbart und seine langen, sensiblen, fast durchsichtigen Finger."Seine Finger müssen Tausende von Seiten des Talmuds umgeblättert haben", dachte Jakob. Der Kommandant beorderte ihn nach rechts. Jakob schämte sich über die Lüge, die ihm das Leben retten sollte. Während Monaten suche er vergeblich nach dem polnischen Juden – er war verschwunden."
'''Autor:''' Kaufmann, Rolf
 
Im Islam ist es die Figur al-Khadirs, einem Gefährten Mohammeds, der viele Züge mit Elias teilt, und dem Mohammedaner eine durchaus lebendige Gestalt ist. Jung hat dieser Figur von Sure 18 Vers 59-81 als Beispiel eines echten Wandlungsprozesses eine Arbeit gewidmet (über Wiedergeburt. GW 9/I p 243). Darin ist al-Khadir (der Grüne) ein überragend Wissender, der den rechten Weg lehrt und Unverständliches tut, das der beschränkte Verstand nicht begreift. In islamischen Sagen und Legenden ist er eine bekannte Gestalt, die Moses an die Lebensquelle führt. Er verfügt über Gottes Geheimwissen und Allmacht und besitzt ewiges Leben.
 
In der Alchemie ist Hermes-Mercurius eine Führer- und Verführerfigur, ein zur Verzweiflung treibender, evasiver, täuschender und neckischer Kobold einerseits und ein sublimer hilfreicher, erleuchtender, dienstbarer Geist anderseits. Er gilt als doppelt und erfreue sich gleichermaßen der Gesellschaft der Guten wie der Bösen" (GW 13 § 267 ff.).
 
Dieser Archetypus hat eine wichtige Funktion im Individuationsprozess, doch weil er weithin unbekannt ist, werden seine bemerkenswerten Manifestationen meist nicht erkannt.
 
'''Literatur:''' Ribi, 2002
 
'''Autor:''' Ribi, Alfred

Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr

Keyword: Pfingsten

Links: Atem, Christentum, Geist, Gott, Gottesbild Individuation, Logos-Prinzip, Pneuma, Selbst

Definition: Das Wort Pfingsten leitet sich vom grch. pentekoste (der 50.) ab, dem 50. Tag nach Ostern.

Information: An Pfingsten haben die Jünger Jesu den heiligen Geist empfangen: "Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder.

Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab." (Apg. 2, 2-4).

Auch jeder wahrhaft gläubige Christ kann nach christlicher Auffassung an diesem Tag durch den Heiligen Geist wiedergeboren werden und damit zu dessen Tempel werden. Als „Pfingstwunder“ wird die wunderbare Fähigkeit der Jünger verstanden, in allen Sprachen zu sprechen und alle Sprachen zu verstehen, womit die „babylonische Sprachverwirrung“ aufgehoben wird, mit der Gott die Menschen für den Turmbau zu Babel bestraft hatte.

Interpretation: Der Pfingst-Mythos enthält zwei archetypische Symbole, den Wind-Atem-Geist und das Feuer (Feuerzungen).

Der Wind-Atem-Geist: Das lat. Spiritus, das grch. Pneuma und das hebr. Ruach bedeuten "Geist, Seele, Lebenshauch, Odem, Gedanken, Gesinnung, Mut, Seufzen, Wutschnauben, Begeisterung, Leidenschaft, Verzückung, Weissagegeist, Dichtergeist, Enthusiasmus, Ekstase." Am 50. geschieht Aufwühlendes; eine „Be-geisterung“ überflutet die Christusgläubigen, welche die stürmische Erfahrung machen, dass das Gesetz vom Sinai überwunden ist: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2. Kor. 3, 17)! Der Geist kann nun nicht mehr in Buchstaben eingefangen werden: „Der Buchstabe tötet; der Geist aber macht lebendig“ (2. Kor. 3, 6)! Es geht nicht mehr um den Buchstaben des Gesetzes, sondern um den Geist, der hinter dem Ganzen steht.

Das Feuer: Von allen Elementen der Alten stand das Feuer dem Göttlichen am nächsten. Auch in der Bibel offenbart sich Gott vorwiegend im Feuer. „Als sich die Sonne zum Untergang neigte, fiel ein Tiefschlaf auf Abram, und ein grosser Schrecken überfiel ihn: Ein rauchender Ofen und eine Feuerfackel, die hin und her fuhr. So schloss der Herr mit Abram einen Bund" (1. Mose 15, 12. 17). Dem Moses offenbart sich Gott im brennenden Dornbusch (2. Mose 3, 2), und als Feuersäule geht er nachts seinem Volk voran (13, 21). Die grandioseste Feueroffenbarung ereignet sich am Sinai: Der Gottesberg ist mit Rauch bedeckt; der Herr ist im Feuer und lodert auf dem Gipfel wie ein gierig fressendes Feuer (19, 18; 24, 17). Im Thomas-Evgl. sagt Jesus: „Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe; wer mir fern ist, ist fern vom Leben.“ Log. 82)

So lässt sich in den Feuerzungen ein Symbol für obere geistige Kräfte im Menschen sehen. Dass die Feuerzungen vom Himmel herab kommen und nicht aus dem Dunkel der Erde herauf steigen, zeigt, dass hier kein niederer Trieb, keine höllische Leidenschaft zur Darstellung gelangt, sondern ein oberer, heller, feinstofflicher, geistiger, unfassbarer Geist. Das Feuer züngelt zerteilt (domestiziert) über den Köpfen der Gläubigen; das Zerteilen des Einen in die Zwei weist auf Bewusstwerdung und Beherrschung der Leidenschaft hin.

Die zerteilten Feuerzungen symbolisieren christliche Tugenden wie Erkenntnis, Vernunft, Erleuchtung, Selbstbeherrschung, Verständnis, Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Herzlichkeit und Herzenswärme. Der Pfingst-Mythos zeigt die historische Aufgabe der Kirche: die Bildung des „höheren Menschen“. (Individuation, Selbst)

Literatur: Standard

Autor: Kaufmann, Rolf