Blut

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Keyword: Blut

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Definition: Blut (lat. Sanguis) ist eine im Herz-Kreislauf-System (Blutkreislauf) zirkulierende Körperflüssigkeit, die dem allgemeinen Stofftransport und -austausch dient.

Information: Das Blut kann als flüssiges Gewebe oder als Organ des Körpers angesehen werden. Es bringt als Transportmittel Sauerstoff aus der Lunge und Nährstoffe aus dem Darm in die Gewebe, Kohlendioxid und Abbauprodukte des Stoffwechsels in die Ausscheidungsorgane (Lunge, Niere) und überträgt Hormone, Vitamine und Enzyme. Es dient der chemischen Verknüpfung der Organe und der Aufrechterhaltung des Wasser- und Salzhaushaltes des Körpers. Wichtige Eigenfunktionen des Blutes sind die Fähigkeiten, Puffer im Säure-Basen-Haushalt zu sein, als Träger von Antikörpern und Leukozyten eingedrungene Fremdstoffe, Gifte und Fremdorganismen abzuwehren (Immunreaktion) und eröffnete Blutgefäße verschließen zu können.

Interpretation: "Blut ist ein ganz besonderer Saft" sagt Mephisto in Goethes Faust, und in Christian Heinrich Postels Singspiel (1690) heißt es im "anderen Auftritt" "Blut ist der Safft vor allen Säfften".

Die Wahrheit dieser sprichwörtlich gewordenen Zitate zeigt sich in Vorstellungen, Glaube, Aberglaube, Legenden, Märchen und Mythen rund um den Erdball.

Alle Vorstellungen kreisen um das Blut als dem Sitz der Seele, dem Blut als erneuernde oder schädigende Kraft. Auf der ganzen Welt gibt es Gebräuche, über die mit Blut hilfreiche, erlösende Kräfte beschworen oder feindliche, zerstörerische, dämonische Einflüsse vertrieben werden sollten (Bestreichen von Menschen, Gegenständen, Amuletten u. ä. mit Blut).

Blut von Tieren und Menschen wird getrunken, um sich diese Kräfte einzuverleiben, oder um die Kräfte, die Schaden bringen könnten, zu vernichten. Über Jahrtausende hin wurden bei vielen Völkern Tote mit Blut oder roter Farbe bemalt, ursprünglich lag diesen Traditionen möglicherweise der Brauch eines Blutopfers zugrunde. Dadurch sollten sowohl die Toten als auch die Lebenden vor Dämonen geschützt werden. Zugleich wurde damit auch eine Bannung der Toten vollzogen, um eventuelle Übergriffe oder Eingriffe von Toten in das Leben zu verhindern. Aus der Angst heraus, Tote seien auf Blut aus, um neues Leben zu erlangen, entwickelten sich mit der Zeit im Aberglauben die Vampire.

Blut wird auch als Zeichen tiefster Verbundenheit und Freundschaft benutzt (Blutsverwandtschaft, Blut als symbolisches Zeichen im Treuebund der Blutsbrüderschaft, die Stimme des Blutes als Hinweis auf verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit). Blutschande wiederum weist auf das Überschreiten des Inzesttabus hin. Besonderes Blut, das "blaue" Blut wird mit Adel, einer Vorzugsstellung in Beziehung gesetzt. Bedauerlicherweise wurde im Nationalsozialismus die "Reinheit" des deutschen Blutes, das Edle des Blutes geradezu als rassistischer Wahn propagiert. Ein Stück trauriger deutscher Geschichte.

Uralte Handlungen wie die "Blutrache" oder "Blutzoll zahlen" stellen Leben und Tod, bedingungsloses füreinander Einstehen oder gnadenloses Bestraftwerden in einen ganz engen Zusammenhang mit Blut.

Eine Erweiterung dieser in der menschlichen Fantasie dem Blut zugeschriebenen Lebens- und Todeskraft vermittelt sich in vielen Redensarten: "Blut schwitzen" bei übermäßig geforderter emotionaler Anstrengung und Angst, "Das Blut erstarrt mir in den Adern" bei maßlosem, überraschendem, schockierendem Schreck, jemand hat "warmes Blut" als Ausdruck für ein liebevolles Wesen."Heißes Blut" oder "das Blut kommt in Wallung" gilt als Synonym für aufbrausendes, aggressiv-jähzorniges Verhalten, kann sich aber auch auf sexuelle Erregung beziehen und Menschen mit besonders starker sexueller Leidenschaft kennzeichnen. Besondere Begabungen "liegen einem Blut", sind Teil der Lebenskraft.

In sehr viele Religionen spielt das Blutopfer zur Versöhnung göttlicher Kräfte oder zur Beschwörung göttlicher Hilfe eine Rolle. Diese Gebräuche tauchen als Relikte auch in den biblischen, christlichen Überlieferungen und Ritualen wieder auf.

So erzählt das AT von dem Glauben Abrahams, seinen Sohn opfern zu müssen, um damit Gott ein Zeichen seines bedingungslosen Gehorsams zu demonstrieren. Das letzte "Blutopfer", zur Erlösung von Schuld und der Wiederherstellung einer ungestörten, nicht mehr rächenden, den Sünder heimsuchenden, sondern einer zugewandten, gnädigen Gottesbeziehung sollte Jesus sein.

In Anlehnung an uralte (nicht nur orientalische Vorstellungen) schildert die biblische Leidensgeschichte Christi, wie die Juden Pilatus, der sagt, er sei "unschuldig am Blute dieses Gerechten", beschwören: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder". Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die zu sühnende Schuld Christi eindeutig bewiesen sei. Denn unschuldig vergossenes Blut rächt sich, das war der Glaube. Sie bezeugten damit, dass eine Fehleinschätzung ausgeschlossen sei, denn nur mittels dieser Überzeugung konnten sie Pilatus beschwichtigen, dass sie dann die "Blutschuld" beziehungsweise "Blutrache" auf sich nehmen würden.

In der weiteren christlichen Tradition wird der Wein zum Blut Christi, das für die Menschen zur Versöhnung vergossen wurde. Jesus selbst hat der Überlieferung nach in seinem Abschiedsmahl die Worte gesagt: "Trinket alle daraus, das ist mein Blut, zur Vergebung der Sünden, das tut, so oft ihrs trinket, zu meinem Gedächtnis." Christen erinnern sich dessen im Sakrament des heiligen Abendmahls. Sie bezeugen damit, dass der christliche Gott kein Blutopfer mehr fordert. Er hat sich über das Opfer seines Sohnes mit den Menschen in ihrer Fehlbarkeit und Kleinheit bedingungslos verbündet.

Demgegenüber galt als kaum wieder gut zu machende Schuld, die Seele mit Blut oder Blutstropfen dem Teufel, als dem Widersacher Gottes zu verschreiben.

Auch in der Alchemie ist von Blut die Rede. Dort bezeichnet dies die flüssige, rötliche Auflösung einer bisher verfestigten Substanz.

In zahlreichen Filmen, Kriminalromanen, Gedichten und Geschichten der heutigen Zeit spielt die magische Besetzung des Blutes noch immer eine große Rolle. Beispielsweise im Zusammenhang mit Rache, Schuldzuweisung, Schuldüberführung. So verraten z. B. nicht zu entfernende Blutstropfen einen Mord. Wie schon von alters her tauchen auch in modernen Stücken und Erzählungen freundschaftliche oder verschwörerische Rituale auf. Ängste vor gespenstischen, blutsaugenden Vampiren und Draculas verbildlichen auch heute noch die Schrecknisse, die das Leben bedrohen (Filme: "Tanz der Vampire", "Dracula").

Der früher magisch besetzte Gebrauch, aus dem Blut die Zukunft oder die Wahrheit zu prophezeien wurde über die Möglichkeiten der heutigen Medizin zur hilfreichen Realität. Das Blut offenbart, bei entsprechender Laboruntersuchung die Geheimnisse unseres Körpers, unserer Krankheit und Gesundheit. Eigenblut und Blutspenden werden eingesetzt, um Krankheiten zu heilen und Menschenleben zu retten. Es gibt heute viele Sonderformen der Bluterkrankungen, die wiederum durch Blutübertragungen oder Übertragung der aus dem Blut eines Spenders gewonnenen Stammzellen geheilt werden können. Wobei diejenigen, die Blut übertragen bekommen oft eine gewisse Unheimlichkeit empfinden, was da von der Seele der Spenderin oder des Spenders übernommen oder transplantiert wird.

Uralte Menschheitsängste- und Sehnsüchte, die die Seele schon immer mit Blut verknüpfte, tauchen hier in neuer Form wieder auf. Wahrsagerei, aus dem Blut Schuld oder Unschuld eines Menschen herauslesen zu können realisiert sich heute über DNA-Analysen. Abgesehen von den medizinischen Errungenschaften, die verblüffenderweise alte Menschheitspraktiken wissenschaftlich verwirklichen können, erleben auch weibliche Mysterien eine Wiederbelebung.

Das symbolische Verstehen von Menstruation, Schwangerschaft und Geburt wird insbesondere in Familien, wo Frauen um ein neues, weibliches Bewusstsein und zugleich um gesunde Körperlichkeit ringen, wieder lebendig. Junge, menstruierende Mädchen erleben ihr Menstruationsblut als ein faszinierendes Phänomen ihres Frauseins und empfinden die Tage ihrer Periode zugleich lästig und das Blut als schmutzig. In diesen heutigen Themen spiegeln sich Vorstellungen früherer Zeiten. Frauen mussten sich während der Menstruation wegen Unreinheit isolieren.

Dass Blut starke Emotionen auslösen kann (z. B in Ohnmacht fallen, wenn Blut gesehen wird, Kinder weinen, wenn sie gestürzt sind oft erst wenn sie merken, dass sie bluten), steht in engem Zusammenhang mit den menschheitsgeschichtlich bekannten Angstphänomenen.

Die vielfältigen inneren Möglichkeiten, die die Menschheit über ihre Fantasien dem Blut zugeschrieben hat, schlagen sich auch in therapeutischen Prozessen nieder. Blut taucht in den vielfältigsten Variationen auf und verweist, je nach Kontext, auf verschiedenartigste innere Kräfte und Möglichkeiten. Dominant erscheint die Bedeutung des Bluts als Lebenskraft und Essenz des Lebens, als Kraft und Quelle des Lebens, die den Tod überwindet. Ebenso taucht das Symbol als ein Hauptträger seelischer Kräfte auf und verweist zugleich auf höhere Kraft, der magische, heilende und destruktive Möglichkeiten innewohnen. Darüber hinaus können über Geburts-und Menstruationsblut Ängste und Hilfen im Zusammenhang mit Frau werden oder Frau sein zum Ausdruck kommen. Auch Aggression und Sexualität, Emotion, Affekt, Beziehung und Feindschaft, Bindung, Versöhnung, neues Leben bis hin zu transzendender Erfahrung kann die Symbolik des Blutes in der Situation des Einzelnen verbildlichen.

In Märchen und Mythen sind Blutstropfen oft synonym mit Blut, ein kleiner Ausdruck für das Ganze. Im Märchen von der Gänsemagd (Grimm Nr. 89) vermittelt es die "Stimme des Blutes", die Stimme der Mutter und damit die Beziehung zur Mutter, zur Kraft des Mütterlichen, die verloren gehen kann. Im Besonderen die Beziehung zu den Lebenswurzeln, dem ureigenen Lebenshintergrund und damit der Identität. Die Aufgabe, mit sich als Frau identisch zu werden beginnt mit der Menarche, weshalb die Blutstropfen oft in einen Zusammenhang mit sexueller Reife gesetzt werden. Im Märchen Schneewittchen (Grimm Nr. 53), in dem die Blutstropfen in den Schnee fallen verweisen sie auf Neubeginn und neues Leben. Den Weg zur Erlösung zeigen Blutstropfen auch im singenden, springenden Löweneckerchen (Grimm Nr. 88). Immer verweisen sie auf eine Stimme, die gerne überhört wird oder Unangenehmes, Verdrängtes bewusst macht.

Literatur: Standard

Autor: Laitenberger, Diethild