Bote und Religion: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Keyword:''' Bote
'''Keyword:''' Religion


'''Links:''' [[Außerirdischer]], [[Automatismen, psychomotorische]], [[Besucher, der geheimnisvolle]], [[Brief]], [[Engel]], [[Intuition]]
'''Links:''' [[Buddhismus]], [[Taoismus]], [[Christentum]], [[Gott]], Gottesbild


'''Definition:''' Ein Bote (ahd. boto, zu bieten, im alten Sinne als wissen lassen, befehlen) ist der Überbringer einer Nachricht, ursprünglich: Nachrichtung, d. h., das, wonach man sich zu richten hat; später: Mitteilung, die bzgl. eines wichtigen Sachverhaltes den neuesten Stand vermittelt.
[[Hinduismus]], [[Mysterium]], [[Numinoses]], [[Mystos-Prinzip]]


'''Information:''' Eine Botschaft (ahd. botoscaft, für den Empfänger bedeutungsvolle Nachricht) war lange Zeit die einzige Möglichkeit, Nachrichten über größere räumliche Distanzen zu vermitteln. Ihnen wurde mit banger Spannung, Ungewissheit und Angst entgegen gesehen, denn sie überbrachten schicksalhafte Glücks- und Heils- genau so wie Unglücks- und Todesbotschaften. Der Post- oder Briefbote, der auch in schwierigen und unwägbaren Situationen seine Briefe zuverlässig zustellt, ist uns eine vertraute Institution. Unangenehme Botschaften persönlich zu überbringen, ist manchmal Aufgabe der Polizei. Über die modernen Medien, zunehmend das Internet, lassen sich Botschaften aller Art heute sehr rasch verbreiten, wobei aber die Zuverlässigkeit besonders im Internet nicht mehr kontrollierbar ist. Der Archetyp des Tricksters gewinnt im Internet an Raum.
'''Definition:''' Religion lässt sich - abgesehen von unzähligen anderen Definitionsmöglichkeiten - begreifen als ein Erlebnis-und Erfahrungszusammenhang, in dem Einzelne und / oder Gemeinschaften ihre Beziehung zur Transzendenz, zum Absoluten, zu Gott als dem Grund alles Seins bekunden und von daher Wesen und Sinnhaltigkeit von Mensch und Welt, ihre eigene Existenz deuten, schließlich ihr gesamtes Leben für sich, mit und für andere gestalten.


Bedeutsame und geheime Nachrichten wurden früher oft von Kurieren (frz. courrier, lat. currere: laufen, rennen) und Geheimkurieren oder von reitenden Boten übermittelt; die Mythologie kennt die Götterboten wie etwa den griechischen Hermes. Aufgrund der Gewichtigkeit von Botschaften und der Vertrauensstellung, die Boten haben, ging der Begriff über auf den diplomatischen Vertreter eines Staates im Auslands, den Botschafter, und auf das Gebäude, in dem er residiert, die sog. Botschaft.
Von Religion lässt sich zutreffend und im Vollsinn des Wortes immer nur im Rahmen der jeweiligen Tradition sprechen, der man nolens volens, eingestandener wie uneingestandenermaßen selbst angehört und von der aus man religiöse bzw. metaphysische Positionen anderer, die Weltreligionen, zu verstehen sucht. So ist zu beachten, dass der Begriff Religion (von lat. religio, deos edlere, die Götter verehren,) aus dem römischen Kulturkreis stammt und im europäisch-abendländischen Kontext entwickelt wurde. Ableitbar ist demnach Religion von relegere (das genaue Beachten der Götter), aber auch von religare (sich an sie binden).


Die Volksweisheit kann beispielsweise aus Naturphänomenen Botschaften empfangen, erkennt Schwalben als Boten des Frühlings oder Schneeglöckchen als dessen Vorboten.
'''Information:''' Diese in der westlichen Welt geläufige Benennung ist nicht ohne Weiteres auf andere Religions-Systeme zu übertragen, wiewohl Religion "unstreitig eine der frühesten und allgemeinsten Äußerungen der menschlichen Seele ist" (C. G. Jung, GW 11, S. 1).


'''Interpretation:''' Boten, als Übermittler einer Nachricht zwischen Sender und Empfänger geschaltet, sind eigentlich neutral. Sie sind tatsächliche oder potenzielle Mitwisser einer Botschaft und diejenigen, die mit ihr konfrontieren. Deshalb müssen sie vertrauenswürdig und klug sein und die unterschiedlichsten Affekte aushalten.
Bereits das Hebräische für das Judentum, das Arabische für den Islam, schließlich die aus asiatischen Sprachen und aus wesentlich anderen Vorstellungszusammenhängen kommenden Bezeichnungen legen eine sorgfältige Unterscheidung dessen nahe, was von Fall zu Fall gemeint ist, - etwa im [[Hinduismus]], [[Buddhismus]], [[Taoismus]], Konfuzianismus usw. Dazu kommen noch die bei Weitem ferneren religiösen Ideen der Vor- und Frühgeschichte, der alten Hochkulturen oder der sogenannten Naturvölker. Mit der (vermeintlich) geläufigen "religio" sind sie schwerlich voll in Deckung zu bringen. Es wird jedenfalls oft übersehen, dass die in der eigenen Bewusstseins- und Erfahrungswelt entstandenen Glaubensanschauungen - meist unbewusst - auf die fremde Religiosität übertragen werden, als habe man nur eine andere Spielart der einem selbst vertrauten Religion vor sich. Und dies, obwohl jene in der Regel ganz anderen Ursprungs sind als was man im Westen als etwaiges Wesen der Religion verstehen möchte. Insofern kann eine ins Globale übergreifende Beschäftigung mit Religion immer nur unter Vorbehalt geschehen. Die Religions-Wissenschaft muss deshalb mit feststellen, dass wir kein präziseres Wort als Religion haben, um das Erlebnis des Heiligen zu bezeichnen.


In Märchen u. a. Geschichten wird das manchmal drastisch dargestellt, indem die Boten schlechter Nachrichten umgebracht oder ins Gefängnis gesteckt werden. Häufig müssen sie zudem auf ihrem Weg mit widrigen Umständen kämpfen, z. B. weil ein Widersacher verhindern will, dass ihre Botschaft ankommt. Umgekehrt wird von ihnen erwartet, dass sie ihre Botschaft ans Ziel bringen, koste es, was es wolle. Der antike Marathonläufer war mit seiner Botenaufgabe so identifiziert, dass er – so die Legende – tot zusammenbrach, nachdem er die Botschaft übermittelt hatte.
Auf die Weltreligionen bezogen ist eine über viele Jahrhunderte bzw. Jahrtausende sich erstreckende Geschichte der Menschheit vorauszusetzen, in der bestimmte, gleichzeitig überaus differenzierte Erfahrungen mit einer oder mit vielen überirdischen Mächten gemacht worden sind, - und zwar jeweils "mit Furcht und Zittern". Es handelt sich um die Begegnung mit dem Heiligen, das wieder und wieder als ein übermenschlichtes Mysterium erlebt wird, als Mysterium der Transzendenz, die - streng genommen - jenseits des üblicherweise Erlebbaren liegt.


In mythologischen Zusammenhängen kommen Botschaften und Boten auch aus dem Jenseits und von den Göttern. Die Tricksternatur des antiken Götterboten Hermes ist beim Überbringen gewichtiger, schicksalsentscheidender Nachrichten ambivalent: Sie verdeutlicht das in Bewegungsetzende von Botschaften, zugleich die Unbezogenheit des Botens als Übermittler sowie die potenzielle Unsicherheit und Täuschungskraft von Botschaften. Botschaften können fehlerhaft sein, jemand kann sie ausgetauscht haben, oder sie können bewusste Desinformationen enthalten.
Rudolf Otto (1869-1937) hat es aus einem eigenen Initialerlebnis heraus als "mysterium tremendum et fascinans", als ein bald erschreckendes, bald faszinierendes Geheimnis beschrieben. Je nach der kulturellen und bewusstseinsmäßigen Befindlichkeit derer, die von diesem Mysterium berührt und ergriffen sind, gestaltet sich auch die Religiosität in den je unterschiedlichen Formen des Umgangs mit dem, was von den Menschen als das Unbedingte, als die "Tiefe des Seins" (P. Tillich) erlebt wird. Oder um es mit Worten zu sagen, die Otto in seinem grundlegenden Werk "Das Heilige" (1917) verwendet: "Das, wovon wir reden und was wir versuchen wollen, einigermaßen anzugeben, nämlich zu Gefühl zu bringen, lebt in allen Religionen als ihr eigentlich Innerstes, und ohne es wären sie gar nicht Religion Aber mit ausgezeichneter Kräftigkeit lebt es in den semitischen Religionen, und ganz vorzüglich hier wieder in der biblischen. Es hat hier auch einen eigenen Namen: nämlich 'qadosch', dem 'hagios' und 'sanetus' und noch genauer 'sacer' entsprechend. Daß diese Namen in allen drei Sprachen das 'Gute' und das schlechthin Gute mitbefassen, nämlich auf der höchsten Stufe der Entwicklung und Reife der Idee, ist gewiß, und dann übersetzen wir sie mit 'heilig'. Aber dieses 'heilig' ist dann erst die allmähliche ethische Schematisierung und Auffüllung eines eigentümlichen ursprünglichen Momentes, das an sich selber gegen das Ethische auch gleichgültig sein und für sich erwogen werden kann. Da diese Kategorie vollkommen sui generis ist, so ist sie wie jedes ursprüngliche und Grund-Datum nicht definibel im strengen Sinne, sondern nur erörterbar." (Otto, 1917, S. 6).


Die monotheistischen Weltreligionen kennen die Engel als Mittler zwischen Gott und den Menschen: Sie kündigen frohe Botschaft, z. B. die Geburt von Kindern, auch von Jesus, überbringen Rat, Trost, Schutz, drohen aber auch Unheil, Strafe und Vernichtung an.
William James legt in seinem Werk "Vielfalt religiöser Erfahrung" ine wichtige Unterscheidung nahe. In Erscheinung tritt das religiöse Handeln in Ritus, Fest und Feier, das Leben der in religiösen Gemeinschaften mit dem ihrem eigenen Dogma sowie ihrer ethischen Normen (Geboten). Es handelt sich hier um einen vorwiegend sozialen und nach außen gerichteten exoterischen Aspekt. Theologie bzw. Religionsphilosophie, Verkündigung und missionarische Aktivitäten gehören hierzu ebenso wie die je unterschiedlich motivierte mitmenschliche Fürsorge. Eng damit verbunden ist er der vorwiegend den Einzelnen betreffende, der nach innen gerichtete Aspekt ([[Esoterik]]), bei dem es um die erlebbare Mitte und Sinntiefe geht. Dazu gehört z. B. die Weise, in der der transzendente Gott verehrt und das Mysterium (Sakrament) des Glaubens erfahren wird. Sie kann als [[Gnosis]], [[Mystik]] und Theosophie ihre spirituelle Vitalität zur Geltung bringen.


Träume werden in der Tiefenpsychologie häufig als "Botschaften" aus dem Unbewussten angesehen. Sie können uns über aktuelle Themen, Konflikte, Emotionen informieren, die uns während des Tages entgangen sind und denen wir dann zumindest in der Nacht eine Zeit der Aufmerksamkeit und Verarbeitung schenken müssen. Mythologische Botenfiguren und chiffrierte oder scheinbar klare Botschaften werden manchmal von Menschen in Träumen erlebt. Zufällig oder synchronistisch erscheinende Ereignisse, Fehlleistungen oder Intuitionen aus dem Unbewussten werden als Ausdruck und Botschaft einer höheren Macht erfahren. Genau wie bei anderen symbolischen Äußerungen gibt es auch dabei keine eindeutig richtigen Interpretationen.
Diese esoterische und exoterische Dimensionen sind aufeinander bezogen. Oft genug stehen sie in Spannung zueinander, dann nämlich, wenn die institutionell verfasste Religion mit einer tradierten Lehre (Dogma) an spiritueller Lebendigkeit verliert, wenn etwa eine hierarchisch gegliederte Priesterschaft auf ihre Weihegewalt pocht, darüber aber das freie, unverfügbare Walten des Geistes erschwert oder unterbindet, z. B. indem sie konkurriernde Glaubens- und Denkformen als häretisch erklärt und gegebenenfalls gewaltsam verfolgt. Wie im übrigen die Beobachtung der religionsgeschichtlichen Phänomene zeigt, ist das göttliche Offenbarungsgeschehen keineswegs abgeschlossen, selbst wenn dies durch dogmatische Festlegungen (z. B. im [[Christentum]]) behauptet wird. Deutlich wird dies nicht zuletzt in Gestalt der Bildung von neuen religiösen Bewegungen sowie durch die reformatorische Belebung bereits bestehender Institutionen.


Persönlicher, menschlicher Bote sein, hat im Alltag des Computer- und Internetzeitalters anscheinend keine große Bedeutung mehr. Aber es gibt noch Botschaften, die persönlich überbracht werden, für die ein Übermittler in Anspruch genommen wird, vor allem, wenn es sich um Unglücks- und Todesbotschaften handelt. Eltern, die sich im Streit befinden oder getrennt leben, missbrauchen – oft unbewusst – die zwischen ihnen sich bewegenden Kinder als Boten verbaler und nonverbaler Botschaften. Für die Kinder – manchmal auch noch, wenn diese erwachsen sind – ist das eine kaum aushaltbare Situation, weil sie nicht nur unbeteiligtes Übermittlungsmedium sind, sondern emotional Beteiligte. Jahrelang versuchen Kinder manchmal, in dieser Funktion gleichzeitig zu vermitteln und die Beziehung zwischen den Eltern oder innerhalb eines Familiensystems in Ordnung zu halten.
Aus nüchterner Analyse der gegenwärtigen Menschheitssituation resultiert die immer dringlicher geäußerte Forderung, dass die Vertreter der einzelnen Religionen ein allgemein verbindliches "Weltethos" (H. Küng) praktizieren lernen, indem sie Verständnis- und dialogbereit, insbesondere kooperativ auf allen Ebenen der Begegnung für den Frieden, für das Heil und Wohl der Mitmenschen eintreten. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben, denn: "Religion ist mehr als eine rein theoretische Angelegenheit, gar nur eine Sache der Vergangenheit, Aufgabe für Urkundenforscher und Quellenspezialisten. Nein, Religion  [...]  ist immer auch gelebtes Leben, eingeschrieben in die Herzen und von daher für alle religiöse Menschen eine höchst gegenwärtige und durchaus den Alltag bestimmende Angelegenheit  [...]  Religion vermittelt einen umfassenden Lebenssinn, garantiert höchste Werte und unbedingte Normen, schafft geistige Gemeinschaft und Heimat." (Küng, 1984, S. 19)


Pubertierende bewältigen ihre ersten noch unsicheren Beziehungs-Erfahrungen auch heute noch mit Hilfe von schriftlichen Botschaften, die sie nicht den elektronischen Medien anvertrauen. Oft sind es Freunde oder Freundinnen, die bereit sind, solche Botschaften mündlich oder auf kleinen Zetteln zu überbringen.
'''Interpretation:''' Keine


'''Literatur:''' Standard
'''Literatur:''' Standard


'''Autor:''' Müller, Anette
'''Autor:''' Wehr, Gerhard

Version vom 17. November 2011, 11:12 Uhr

Keyword: Religion

Links: Buddhismus, Taoismus, Christentum, Gott, Gottesbild

Hinduismus, Mysterium, Numinoses, Mystos-Prinzip

Definition: Religion lässt sich - abgesehen von unzähligen anderen Definitionsmöglichkeiten - begreifen als ein Erlebnis-und Erfahrungszusammenhang, in dem Einzelne und / oder Gemeinschaften ihre Beziehung zur Transzendenz, zum Absoluten, zu Gott als dem Grund alles Seins bekunden und von daher Wesen und Sinnhaltigkeit von Mensch und Welt, ihre eigene Existenz deuten, schließlich ihr gesamtes Leben für sich, mit und für andere gestalten.

Von Religion lässt sich zutreffend und im Vollsinn des Wortes immer nur im Rahmen der jeweiligen Tradition sprechen, der man nolens volens, eingestandener wie uneingestandenermaßen selbst angehört und von der aus man religiöse bzw. metaphysische Positionen anderer, die Weltreligionen, zu verstehen sucht. So ist zu beachten, dass der Begriff Religion (von lat. religio, deos edlere, die Götter verehren,) aus dem römischen Kulturkreis stammt und im europäisch-abendländischen Kontext entwickelt wurde. Ableitbar ist demnach Religion von relegere (das genaue Beachten der Götter), aber auch von religare (sich an sie binden).

Information: Diese in der westlichen Welt geläufige Benennung ist nicht ohne Weiteres auf andere Religions-Systeme zu übertragen, wiewohl Religion "unstreitig eine der frühesten und allgemeinsten Äußerungen der menschlichen Seele ist" (C. G. Jung, GW 11, S. 1).

Bereits das Hebräische für das Judentum, das Arabische für den Islam, schließlich die aus asiatischen Sprachen und aus wesentlich anderen Vorstellungszusammenhängen kommenden Bezeichnungen legen eine sorgfältige Unterscheidung dessen nahe, was von Fall zu Fall gemeint ist, - etwa im Hinduismus, Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus usw. Dazu kommen noch die bei Weitem ferneren religiösen Ideen der Vor- und Frühgeschichte, der alten Hochkulturen oder der sogenannten Naturvölker. Mit der (vermeintlich) geläufigen "religio" sind sie schwerlich voll in Deckung zu bringen. Es wird jedenfalls oft übersehen, dass die in der eigenen Bewusstseins- und Erfahrungswelt entstandenen Glaubensanschauungen - meist unbewusst - auf die fremde Religiosität übertragen werden, als habe man nur eine andere Spielart der einem selbst vertrauten Religion vor sich. Und dies, obwohl jene in der Regel ganz anderen Ursprungs sind als was man im Westen als etwaiges Wesen der Religion verstehen möchte. Insofern kann eine ins Globale übergreifende Beschäftigung mit Religion immer nur unter Vorbehalt geschehen. Die Religions-Wissenschaft muss deshalb mit feststellen, dass wir kein präziseres Wort als Religion haben, um das Erlebnis des Heiligen zu bezeichnen.

Auf die Weltreligionen bezogen ist eine über viele Jahrhunderte bzw. Jahrtausende sich erstreckende Geschichte der Menschheit vorauszusetzen, in der bestimmte, gleichzeitig überaus differenzierte Erfahrungen mit einer oder mit vielen überirdischen Mächten gemacht worden sind, - und zwar jeweils "mit Furcht und Zittern". Es handelt sich um die Begegnung mit dem Heiligen, das wieder und wieder als ein übermenschlichtes Mysterium erlebt wird, als Mysterium der Transzendenz, die - streng genommen - jenseits des üblicherweise Erlebbaren liegt.

Rudolf Otto (1869-1937) hat es aus einem eigenen Initialerlebnis heraus als "mysterium tremendum et fascinans", als ein bald erschreckendes, bald faszinierendes Geheimnis beschrieben. Je nach der kulturellen und bewusstseinsmäßigen Befindlichkeit derer, die von diesem Mysterium berührt und ergriffen sind, gestaltet sich auch die Religiosität in den je unterschiedlichen Formen des Umgangs mit dem, was von den Menschen als das Unbedingte, als die "Tiefe des Seins" (P. Tillich) erlebt wird. Oder um es mit Worten zu sagen, die Otto in seinem grundlegenden Werk "Das Heilige" (1917) verwendet: "Das, wovon wir reden und was wir versuchen wollen, einigermaßen anzugeben, nämlich zu Gefühl zu bringen, lebt in allen Religionen als ihr eigentlich Innerstes, und ohne es wären sie gar nicht Religion Aber mit ausgezeichneter Kräftigkeit lebt es in den semitischen Religionen, und ganz vorzüglich hier wieder in der biblischen. Es hat hier auch einen eigenen Namen: nämlich 'qadosch', dem 'hagios' und 'sanetus' und noch genauer 'sacer' entsprechend. Daß diese Namen in allen drei Sprachen das 'Gute' und das schlechthin Gute mitbefassen, nämlich auf der höchsten Stufe der Entwicklung und Reife der Idee, ist gewiß, und dann übersetzen wir sie mit 'heilig'. Aber dieses 'heilig' ist dann erst die allmähliche ethische Schematisierung und Auffüllung eines eigentümlichen ursprünglichen Momentes, das an sich selber gegen das Ethische auch gleichgültig sein und für sich erwogen werden kann. Da diese Kategorie vollkommen sui generis ist, so ist sie wie jedes ursprüngliche und Grund-Datum nicht definibel im strengen Sinne, sondern nur erörterbar." (Otto, 1917, S. 6).

William James legt in seinem Werk "Vielfalt religiöser Erfahrung" ine wichtige Unterscheidung nahe. In Erscheinung tritt das religiöse Handeln in Ritus, Fest und Feier, das Leben der in religiösen Gemeinschaften mit dem ihrem eigenen Dogma sowie ihrer ethischen Normen (Geboten). Es handelt sich hier um einen vorwiegend sozialen und nach außen gerichteten exoterischen Aspekt. Theologie bzw. Religionsphilosophie, Verkündigung und missionarische Aktivitäten gehören hierzu ebenso wie die je unterschiedlich motivierte mitmenschliche Fürsorge. Eng damit verbunden ist er der vorwiegend den Einzelnen betreffende, der nach innen gerichtete Aspekt (Esoterik), bei dem es um die erlebbare Mitte und Sinntiefe geht. Dazu gehört z. B. die Weise, in der der transzendente Gott verehrt und das Mysterium (Sakrament) des Glaubens erfahren wird. Sie kann als Gnosis, Mystik und Theosophie ihre spirituelle Vitalität zur Geltung bringen.

Diese esoterische und exoterische Dimensionen sind aufeinander bezogen. Oft genug stehen sie in Spannung zueinander, dann nämlich, wenn die institutionell verfasste Religion mit einer tradierten Lehre (Dogma) an spiritueller Lebendigkeit verliert, wenn etwa eine hierarchisch gegliederte Priesterschaft auf ihre Weihegewalt pocht, darüber aber das freie, unverfügbare Walten des Geistes erschwert oder unterbindet, z. B. indem sie konkurriernde Glaubens- und Denkformen als häretisch erklärt und gegebenenfalls gewaltsam verfolgt. Wie im übrigen die Beobachtung der religionsgeschichtlichen Phänomene zeigt, ist das göttliche Offenbarungsgeschehen keineswegs abgeschlossen, selbst wenn dies durch dogmatische Festlegungen (z. B. im Christentum) behauptet wird. Deutlich wird dies nicht zuletzt in Gestalt der Bildung von neuen religiösen Bewegungen sowie durch die reformatorische Belebung bereits bestehender Institutionen.

Aus nüchterner Analyse der gegenwärtigen Menschheitssituation resultiert die immer dringlicher geäußerte Forderung, dass die Vertreter der einzelnen Religionen ein allgemein verbindliches "Weltethos" (H. Küng) praktizieren lernen, indem sie Verständnis- und dialogbereit, insbesondere kooperativ auf allen Ebenen der Begegnung für den Frieden, für das Heil und Wohl der Mitmenschen eintreten. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben, denn: "Religion ist mehr als eine rein theoretische Angelegenheit, gar nur eine Sache der Vergangenheit, Aufgabe für Urkundenforscher und Quellenspezialisten. Nein, Religion [...] ist immer auch gelebtes Leben, eingeschrieben in die Herzen und von daher für alle religiöse Menschen eine höchst gegenwärtige und durchaus den Alltag bestimmende Angelegenheit [...] Religion vermittelt einen umfassenden Lebenssinn, garantiert höchste Werte und unbedingte Normen, schafft geistige Gemeinschaft und Heimat." (Küng, 1984, S. 19)

Interpretation: Keine

Literatur: Standard

Autor: Wehr, Gerhard