Rabe und Sündenfall: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Keyword:''' Rabe
'''Keyword:''' Sündenfall


'''Links:''' [[Alchemie]], [[Dunkelheit]], [[Intuition]], [[Nacht]], [[Nigredo]], [[Psychopompos]], [[Vogel]]
'''Links:''' [[Baum]], [[Bewusstsein]], [[Bewusstseinsentwicklung]], [[Paradies]], [[Schatten]], [[Schlange]], [[Teufel]]


'''Definition:''' Der Rabe (eigtl. = Krächzer, nach dem heiseren Ruf des Vogels) ist ein mit den Krähen verwandter großer Vogel mit kräftigem Schnabel und glänzend schwarzem Gefieder.
'''Definition:''' Unter dem Sündenfall wird im Christentum das Sündigwerden des Menschen, sein Abfall von Gott durch die Sünde Adams und Evas und die damit verbundene Vertreibung aus dem Paradies verstanden.


'''Information:''' Raben gelten als besonders anpassungsfähige und intelligente Vögel; denen man auch das Nachahmen von menschlichen Lauten beibringen kann.
'''Information:''' Die um den „Sündenfall“ kreisenden Mythen sind Ausdruck der Trauer um das verlorene [[Paradies]] und der Frage, wie es überhaupt zu der schmerzensreichen Trennung von Ort und Zustand der ursprünglichen Glückseligkeit kommen konnte. Die meisten Mythen nehmen an, dass Ursache dieses Verlusts Strafe für eine Übertretung, Schuld oder „Sünde“ gewesen sei.


Etymologisch lassen sich die Bezeichnungen „Krähe“ und „Rabe“ onomatopoetisch auf ihren krächzenden Schrei zurückführen. Häufig wird er als Unheil verkündend verstanden; in jedem Fall jedoch transportiert er eine wichtige Botschaft.
So geschah die Trennung der kosmischen „Welteltern“ (z. B. Mythus von Uranos, Gaia und Kronos) gewaltsam, durch Kastration des Himmelsgottes. Der Baum oder die Liane, die die Erde an den Himmel band, wurden abgeschnitten, der Berg, der den Himmel berührte, wurde eingeebnet. (Eliade, 1961). Jedenfalls wird der Bruch zwischen Himmel und Erde durch ein ethisch eher zweifelhaftes mythisches Ereignis herbeigeführt, das nichtsdestotrotz meist als notwendig beschrieben wird.


'''Interpretation:''' Ein "weißer Rabe" bezeichnet eine große Ausnahme, Seltenheit. Den Raben, insbesondere den "diebischen" Elstern, eine Art der Rabenvögel, sagt man das Stehlen nach ("Klauen wie die Raben").
Im biblischen Schöpfungsmythus der Genesis erfahren wir, dass das Leiden vom Schöpfergott auferlegt wurde als Strafe für den Ungehorsam gegenüber dem Gebot, nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Bekanntlich konnte Eva der Überredungskunst der Schlange nicht widerstehen, die da sagte: "Es werden euch die Augen aufgehen, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist." (1. Mose, 3, 4)


Nach altem Volksglauben kümmert sich der Rabe wenig um seine Jungen und stößt sie, wenn er sie nicht mehr füttern will, aus dem Nest, daher die Bezeichnung "Rabenmutter" oder "Rabeneltern" für lieblose, hartherzige Bezugspersonen, die ihre Kinder vernachlässigen.
Und Eva wiederum verführte auch Adam dazu, den Apfel vom Baum der Erkenntnis anzubeißen. Die von Gott auferlegte Strafe lautet: "Feindschaft wird gesetzt zwischen dem Weibe und der Schlange. Das Weib soll unter Schmerzen ihre Kinder gebären. Der Mann soll im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen, da der Erdboden verflucht ist und Dornen und Disteln trägt." Und das Wichtigste: „Erde bist du, und zur Erde musst du zurück“. Der Tod hält also seinen Einzug.


Rabe und Krähe sind in ihrer Bedeutung nahezu identisch. Sie sind ambivalente Symboltiere. Zum einen gelten sie als solare Symbole - als Boten des Sonnengottes Helios, mit dem [[Logos-Prinzip]] verbunden und mit ähnlicher Bedeutung wie der [[Hahn]] -, zum anderen sind sie aber auch Unheil bringend und mit dem [[Tod]] verbunden (Begleiter von Totengöttern, Zauberern und Hexen).
Etwas Entscheidendes aber wird dadurch für den Menschen gewonnen: „Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner, dass er weiß, was gut und böse ist“.


Der Rabe hat Zugang zu anderen Welten ([[Jenseits]], [[Unterwelt]], [[Unbewusstes]]), daher werden ihm mantische Fähigkeiten ([[Intuition]]) zugesprochen. Die beiden Raben des Odin Hugin (Gedanke) und Munin (Gedächtnis) tragen diesem wichtige Botschaften zu. In der Bibel sendet Noah einen Rabe aus, um Land zu finden (1. Mos. 8, 7)
'''Interpretation:''' Es scheint vor allem, dass Bewusstwerdung um gut und böse, d. h. um die Gegensätze im menschlichen Dasein, zugleich die Ausstoßung aus dem Paradies bewirkt. Somit stellt sich psychologisch die Frage, ob Paradies nicht letztlich bedeuten könnte: Ich sehe nicht, wie übel, dornig, distlig, nackt und bloß die Bedingungen des Daseins sind. Erst wenn mir die „Augen aufgehen“, wie Adam und Eva, werde ich der eigentlichen Wirklichkeit gewahr. Und damit ist zugleich die paradiesische Existenz verwirkt. Paradies hat also mit einem vorbewussten Zustand zu tun, wo Gegensatzspannung noch nicht zum Bewusstsein kommt, ein Zustand also, in dem „die Augen noch nicht aufgegangen“ sind.


In Jes. 34, 11 tritt der Rabe im Zusammenhang mit Zerstörung und Verwüstung auf: „Nachteulen und Raben werden dort wohnen“. Elias dagegen wird von Raben mit Nahrung versorgt (1. Kön. 17, 6)
Es ist wahrscheinlich, dass Paradies als archetypisches Bild ein Daseinsgefühl ausdrückt, welches mit dem frühesten Säuglingserleben, der von Neumann beschriebenen „Einheitswirklichkeit“ verknüpft ist. Paradies im weitesten Sinne ist auch Symbol für Geborgensein in einer Einheitswirklichkeit, in der innere Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse mit äußeren Gegebenheiten vollständig in Einklang kommen. In Wirklichkeit ist das nur für kurze „Sternstunden“ möglich. Und selbst so genannte „Sternstunden“ werden in ihrem vollen Stellenwert meist erst dann bewusst, wenn sie vorbei sind. Das Aufrechterhalten aber von Übereinstimmung zwischen innerem Vorstellungsgebäude und äußeren Gegebenheiten bedingt meist ein teilweises Verkennen oder Uminterpretieren von Tatsachen im Sinne des eigenen Wunschdenkens. Kritik des Bewusstseins als Unterscheidungsaktivität wird nicht eingesetzt. Wo „heile Welt“ aufrechterhalten oder in Zukunft errungen werden soll, ist stets unbewusste Paradiesvorstellung am Werk, die sich immer unter anderem auch darin äußert, dass gegenüber gewissen Aspekten der menschlichen Wirklichkeit die Augen geschlossen bleiben.


In der Alchemie spielen Rabe und Krähen eine Rolle als Bilder für die [[Nigredo]]. Der „Nachtrabe“ (nycticorax) ist eine der vielen Gestalten des [[Hermes]]-Mercurius und somit Wandlungssubstanz des alchemistischen Prozesses. Er ist aber auch mit [[Saturn]] dem bleiernen ([[Blei]]), Melancholie bringenden Gestirn verbunden. Er enthält das Ziel der Wandlung bereits in sich in Form einer weißen Taube. Er ist also dunkel und licht, böse und gut, verkörpert Tod und Leben. Der Rabe als Synonym zum sol niger, der schwarzen Sonne und als Ausdruck der Nigredo, der Schwärzung, ist Bote für [[Depression]] und [[Tod]]. Der Rabe spielt im Schamanismus neben dem [[Adler]] eine Rolle als Hilfsgeist und magisches Flugtier des Schamanen.
Die verschiedenen Folgen der Ausstoßung aus dem Paradies haben alle auch eine sinnreiche Bedeutung: Mit der Feindschaft zwischen dem Weib und der Schlange, d. h. der Entzweiung vom Menschen und seinem Triebleben wird z. B. ein anthropologischer Tatbestand symbolisiert. Schon archaische Völker versuchen, mittels ihrer schmerzhaften Initiationsriten, sich von der Kraft des Triebhaften abzugrenzen, um Mitglied der Stammesgesellschaft zu werden. Später setzt Ethik Prinzipien, nach denen die „Schlangennatur“ im Menschen in Schach gehalten werden soll.


Das verfilmte Kinder- und Jugendbuch „Krabat“ von Ottfried Preußler, das die Initiation eines Jungen schildert, greift den magischen Flug des Schamanen auf: die Jungen, die bei einem Zauberer in die Lehre gehen ([[Initiation]]), verwandeln sich in Raben. In den Märchen „Die sieben Raben“ und „Die Rabe“ (KHM 25 u. 93) ist die Verwandlung in Raben eine Verwünschung als Strafe. In dem Gedicht „The Raven“ gestaltet E. A. Poe die unheimliche Begegnung mit einem Raben als Todesboten. Als Bote der Depression und des Todes kann auch der Schwarm Rn, der das gleißend gelbe Kornfeld in van Goghs letztem Gemälde überfliegt, verstanden werden. Nach Vollendung des Bildes hat sich der Künstler das Leben genommen.
Mit dem „Biss in die Ferse“ hat sich oft moderne Psychotherapie zu beschäftigen, nämlich mit den oft schmerzhaften Symptomen, durch welche sich gleichsam die Schlange für ihre Unterdrückung und Erniedrigung rächt.


In der [[Analytischen]] Psychologie haben Krähe und Rabe in Träumen verschiedene Bedeutungen. Als Luftwesen haben sie Zugang zu einer anderer Sphäre als der Mensch. Sie können als Bote einer anderen Welt ([[Unbewusstes]]) aufgefasst werden und als Bild für nahende Depression ([[Nigredo]]). Auch der Aspekt der Klugheit spielt eine Rolle. Der Rabe kann in Träumen und Imaginationen als wissendes Tier auftreten und als „Seelenführer“ dem Ich des Träumers oder Imaginierenden, ähnlich wie dem Märchenhelden, hilfreich zur Seite stehen.
Die zweite Leidensbedingung, nämlich Kindergeburt unter Schmerzen. gehört mit der letzten zusammen: Erde bist du und zur Erde musst du zurück. Man muss sich vor Augen führen, dass Eva in ihrer Paradieses-Existenz überhaupt nichts geboren hatte. Von Geburt und damit auch von Tod ist erst nach der Vertreibung die Rede. Durch Bewusstwerdung wird der Mensch hier mit der Grundbedingung alles Lebens konfrontiert: Leben bedarf ständiger Erneuerung. Das bedeutet ein kontinuierliches „Stirb und Werde“, dessen Opfer die individuellen Lebensträger sind. Für den Menschen bedeutet es eine spezifische Bürde, diese Lebensbedingungen nicht nur ahnungslos zu leben sondern um deren Konsequenz auch zu wissen. Dies Wissen um Vergänglichkeit und Tod lebt in seiner Vorstellung und kann eine der einschneidensten Leidensquellen bedeuten.


'''Literatur:''' Standard
Eine weitere Leidensbedingung an Adam lautet: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“. Hier ist der „homo faber“ angesprochen, der Mensch, der dank seines Bewusstseins seine Lebenswelt selber schafft und umschafft. Zugleich hängt das „Unbehagen in der Kultur“ (Freud) mit dem zutiefst zwiespältigen Wesen des Menschen zusammen. Wir sind zwar Nutznießer, aber auch Leidende der an sich so gigantischen Leistungen des homo faber, der die Natur und das Natürliche umschaffen und seinen Zwecken unterordnen kann. Dies führt uns zu Sachzwängen, welche durch die hoch differenzierte moderne Zivilisation mit ihren technologischen Möglichkeiten verursacht werden. Zugleich erscheint die Ursünde aber auch als gottgewollt. So spricht die altkirchliche Osterliturgie von „felix culpa“, von glücklicher Schuld, denn ohne sie wäre Gott in der Gestalt Christi nicht Mensch geworden um seinen Erlösungsakt zu vollziehen.


'''Autor:''' Daniel, Rosmarie
Immanuel Kant (1790, S. 85ff. ) prägte als Erster für den Zustand nach dem Sündenfall den heute so wichtigen Begriff von der „Mündigkeit des Menschen“. Und sein Gefolgsmann F. Schiller (1790, S. 142), der den vermeintlichen Ungehorsam gegen das göttliche Gebot als Abfall vom Instinkt auffasst, formulierte: „Dieser Abfall des Menschen vom Instinkte, der das moralische Übel zwar in die Schöpfung brachte, aber nur um das moralische Gut darin möglich zu machen, ist ohne Widerspruch die glücklichste und größte Begebenheit in der Menschengeschichte. Von diesem Augenblick an schreibt sich seine Freiheit, hier wurde zu seiner Moralität der erste entfernte Grundstein gelegt…“.
 
'''Literatur:''' Jacoby (1980)
 
'''Autor:''' Jacoby, Mario

Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:52 Uhr

Keyword: Sündenfall

Links: Baum, Bewusstsein, Bewusstseinsentwicklung, Paradies, Schatten, Schlange, Teufel

Definition: Unter dem Sündenfall wird im Christentum das Sündigwerden des Menschen, sein Abfall von Gott durch die Sünde Adams und Evas und die damit verbundene Vertreibung aus dem Paradies verstanden.

Information: Die um den „Sündenfall“ kreisenden Mythen sind Ausdruck der Trauer um das verlorene Paradies und der Frage, wie es überhaupt zu der schmerzensreichen Trennung von Ort und Zustand der ursprünglichen Glückseligkeit kommen konnte. Die meisten Mythen nehmen an, dass Ursache dieses Verlusts Strafe für eine Übertretung, Schuld oder „Sünde“ gewesen sei.

So geschah die Trennung der kosmischen „Welteltern“ (z. B. Mythus von Uranos, Gaia und Kronos) gewaltsam, durch Kastration des Himmelsgottes. Der Baum oder die Liane, die die Erde an den Himmel band, wurden abgeschnitten, der Berg, der den Himmel berührte, wurde eingeebnet. (Eliade, 1961). Jedenfalls wird der Bruch zwischen Himmel und Erde durch ein ethisch eher zweifelhaftes mythisches Ereignis herbeigeführt, das nichtsdestotrotz meist als notwendig beschrieben wird.

Im biblischen Schöpfungsmythus der Genesis erfahren wir, dass das Leiden vom Schöpfergott auferlegt wurde als Strafe für den Ungehorsam gegenüber dem Gebot, nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Bekanntlich konnte Eva der Überredungskunst der Schlange nicht widerstehen, die da sagte: "Es werden euch die Augen aufgehen, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist." (1. Mose, 3, 4)

Und Eva wiederum verführte auch Adam dazu, den Apfel vom Baum der Erkenntnis anzubeißen. Die von Gott auferlegte Strafe lautet: "Feindschaft wird gesetzt zwischen dem Weibe und der Schlange. Das Weib soll unter Schmerzen ihre Kinder gebären. Der Mann soll im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen, da der Erdboden verflucht ist und Dornen und Disteln trägt." Und das Wichtigste: „Erde bist du, und zur Erde musst du zurück“. Der Tod hält also seinen Einzug.

Etwas Entscheidendes aber wird dadurch für den Menschen gewonnen: „Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner, dass er weiß, was gut und böse ist“.

Interpretation: Es scheint vor allem, dass Bewusstwerdung um gut und böse, d. h. um die Gegensätze im menschlichen Dasein, zugleich die Ausstoßung aus dem Paradies bewirkt. Somit stellt sich psychologisch die Frage, ob Paradies nicht letztlich bedeuten könnte: Ich sehe nicht, wie übel, dornig, distlig, nackt und bloß die Bedingungen des Daseins sind. Erst wenn mir die „Augen aufgehen“, wie Adam und Eva, werde ich der eigentlichen Wirklichkeit gewahr. Und damit ist zugleich die paradiesische Existenz verwirkt. Paradies hat also mit einem vorbewussten Zustand zu tun, wo Gegensatzspannung noch nicht zum Bewusstsein kommt, ein Zustand also, in dem „die Augen noch nicht aufgegangen“ sind.

Es ist wahrscheinlich, dass Paradies als archetypisches Bild ein Daseinsgefühl ausdrückt, welches mit dem frühesten Säuglingserleben, der von Neumann beschriebenen „Einheitswirklichkeit“ verknüpft ist. Paradies im weitesten Sinne ist auch Symbol für Geborgensein in einer Einheitswirklichkeit, in der innere Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse mit äußeren Gegebenheiten vollständig in Einklang kommen. In Wirklichkeit ist das nur für kurze „Sternstunden“ möglich. Und selbst so genannte „Sternstunden“ werden in ihrem vollen Stellenwert meist erst dann bewusst, wenn sie vorbei sind. Das Aufrechterhalten aber von Übereinstimmung zwischen innerem Vorstellungsgebäude und äußeren Gegebenheiten bedingt meist ein teilweises Verkennen oder Uminterpretieren von Tatsachen im Sinne des eigenen Wunschdenkens. Kritik des Bewusstseins als Unterscheidungsaktivität wird nicht eingesetzt. Wo „heile Welt“ aufrechterhalten oder in Zukunft errungen werden soll, ist stets unbewusste Paradiesvorstellung am Werk, die sich immer unter anderem auch darin äußert, dass gegenüber gewissen Aspekten der menschlichen Wirklichkeit die Augen geschlossen bleiben.

Die verschiedenen Folgen der Ausstoßung aus dem Paradies haben alle auch eine sinnreiche Bedeutung: Mit der Feindschaft zwischen dem Weib und der Schlange, d. h. der Entzweiung vom Menschen und seinem Triebleben wird z. B. ein anthropologischer Tatbestand symbolisiert. Schon archaische Völker versuchen, mittels ihrer schmerzhaften Initiationsriten, sich von der Kraft des Triebhaften abzugrenzen, um Mitglied der Stammesgesellschaft zu werden. Später setzt Ethik Prinzipien, nach denen die „Schlangennatur“ im Menschen in Schach gehalten werden soll.

Mit dem „Biss in die Ferse“ hat sich oft moderne Psychotherapie zu beschäftigen, nämlich mit den oft schmerzhaften Symptomen, durch welche sich gleichsam die Schlange für ihre Unterdrückung und Erniedrigung rächt.

Die zweite Leidensbedingung, nämlich Kindergeburt unter Schmerzen. gehört mit der letzten zusammen: Erde bist du und zur Erde musst du zurück. Man muss sich vor Augen führen, dass Eva in ihrer Paradieses-Existenz überhaupt nichts geboren hatte. Von Geburt und damit auch von Tod ist erst nach der Vertreibung die Rede. Durch Bewusstwerdung wird der Mensch hier mit der Grundbedingung alles Lebens konfrontiert: Leben bedarf ständiger Erneuerung. Das bedeutet ein kontinuierliches „Stirb und Werde“, dessen Opfer die individuellen Lebensträger sind. Für den Menschen bedeutet es eine spezifische Bürde, diese Lebensbedingungen nicht nur ahnungslos zu leben sondern um deren Konsequenz auch zu wissen. Dies Wissen um Vergänglichkeit und Tod lebt in seiner Vorstellung und kann eine der einschneidensten Leidensquellen bedeuten.

Eine weitere Leidensbedingung an Adam lautet: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“. Hier ist der „homo faber“ angesprochen, der Mensch, der dank seines Bewusstseins seine Lebenswelt selber schafft und umschafft. Zugleich hängt das „Unbehagen in der Kultur“ (Freud) mit dem zutiefst zwiespältigen Wesen des Menschen zusammen. Wir sind zwar Nutznießer, aber auch Leidende der an sich so gigantischen Leistungen des homo faber, der die Natur und das Natürliche umschaffen und seinen Zwecken unterordnen kann. Dies führt uns zu Sachzwängen, welche durch die hoch differenzierte moderne Zivilisation mit ihren technologischen Möglichkeiten verursacht werden. Zugleich erscheint die Ursünde aber auch als gottgewollt. So spricht die altkirchliche Osterliturgie von „felix culpa“, von glücklicher Schuld, denn ohne sie wäre Gott in der Gestalt Christi nicht Mensch geworden um seinen Erlösungsakt zu vollziehen.

Immanuel Kant (1790, S. 85ff. ) prägte als Erster für den Zustand nach dem Sündenfall den heute so wichtigen Begriff von der „Mündigkeit des Menschen“. Und sein Gefolgsmann F. Schiller (1790, S. 142), der den vermeintlichen Ungehorsam gegen das göttliche Gebot als Abfall vom Instinkt auffasst, formulierte: „Dieser Abfall des Menschen vom Instinkte, der das moralische Übel zwar in die Schöpfung brachte, aber nur um das moralische Gut darin möglich zu machen, ist ohne Widerspruch die glücklichste und größte Begebenheit in der Menschengeschichte. Von diesem Augenblick an schreibt sich seine Freiheit, hier wurde zu seiner Moralität der erste entfernte Grundstein gelegt…“.

Literatur: Jacoby (1980)

Autor: Jacoby, Mario