Eifersucht

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Keyword: Eifersucht

Links: Abschied, Binden, Bindung, Trennung

Definition: Eifersucht ist eine Emotion, ein häufig als heftig, schmerzhaft, ja qualvoll erlebtes Gefühl. Im Kern der Eifersucht steht die Angst, Aufmerksamkeit, Zuwendung oder Liebe von anderen weggenommen zu bekommen, sie z. B. durch Auftreten eines Konkurrenten um eine geliebte Person zu verlieren.

Information: Das Wort Eifersucht ist etymologisch vielfältig ableitbar: Eifer (ahd. eivar: scharf, bitter) wird in Luthers Bibelübersetzung benutzt für lat. zelus: lieblicher Zorn; Zorn Gottes. Der alttestamentarische Gott taucht in vielen Zusammenhängen als ein eifernder und eifersüchtiger Gott auf. "Ich bin der Herr dein Gott. Du sollst nicht andre Götter haben neben mir", wird bereits im ersten Gebot gefordert.

Im heutigen Sprachgebrauch sind im Eifer und im Wort Eifersucht sowohl das Bittere und Scharfe, das Harte, Missgünstige, Übererregte, das Fanatische und Blinde des Zorns wie das liebevoll zugewandte Engagement erhalten geblieben. So kann sich ein Mensch eifrig, einsatzbereit, motiviert und liebevoll ans Werk machen oder eine Aufgabe erledigen. Ist er allerdings eifersüchtig, so hat er dabei seine Rivalen immer im Auge. Verknüpfen wir die Vorsilbe "über" mit eifrig, so meinen wir eine unbedachte, vorschnelle oder auch überangepasste Verhaltensweise, auch eine Art vorauseilenden Gehorsam, mit dem ein Mensch seine Unsicherheit zu kompensieren sucht. Und wenn sich ein Mensch ereifert, bedeutet das, dass er sich mit großer, ja leidenschaftlicher Erregung für oder gegen ein Thema äußert - meistens wird das Wort eher kritisch oder auch abwertend gemeint.

Sucht (ahd. in Verbindung mit siechen: krank sein) findet sich z.B. in alten Bezeichnungen für Krankheiten wie Schwindsucht oder Nesselsucht. Gebraucht wird das Wort auch in Zusammensetzungen mit negativen Affekten, Eigenschaften, Verhaltensweisen wie Habsucht, Tobsucht, Herrschsucht, Selbstsucht. Damit rücken diese in die Nähe nicht nur der Krankheit sondern auch der Sünde der Leidenschaften und der Todsünden.

Unter Sucht wird heute auch eine krankhafte Abhängigkeit von etwas oder ein krankhaftes Verlangen nach etwas verstanden. Das heutige Sprachverständnis und -gefühl bringt diese Sucht häufig auch mit einem das Suchtmittel zwanghaft suchenden Verhalten in Zusammenhang. Diese Verknüpfung von Sucht mit "Suche" findet sich im 19. Jh. etwa bei Grillparzer: "Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft." In einer späteren Übersetzung eines Romanes von Cervantes aus dem Spanischen wird dieser Vers eingesetzt, um: "O Eifersüchte, Eifersüchte! Wie viel besser nennt man euch Leiden, Leiden", zu übersetzen. Auch psychologische Autoren benutzen heute diese Ableitung, um den Charakter der Sucht zu kennzeichnen.

Interpretation: Eifersucht gehört offenbar zu den grundlegenden Emotionen des Menschen und wohl auch vieler höherer Tiere. Sie entsteht im Umfeld der archetypischen Themen von Bindung, Beziehung, Erotik und Sexualität einerseits und Trennung und Loslösung andererseits; sie ist angesiedelt im Umfeld der Großen Mutter und des Großen Vaters wie auch des Helden und der Heldin und im Bereich des Schattenbruders und der Schattenschwester.

Eifersuchtserleben, man könnte auch sagen: die Entwicklung des Rivalitäts- oder Eifersuchtskomplexes, lässt sich bis in die früheste Eltern-Kind-Beziehung zurück verfolgen und aktiviert, auch wenn sie im späteren Alter entsteht, frühere Erlebensmuster, infantile Besitzansprüche, Größenfantasien, Riesenerwartungen, das Gefühl ungeliebt zu sein.

Eifersucht gehört zu den großen, zentralen Motivatoren menschlichen Handelns und steht häufig im Zentrum bewegender tragischer oder auch glücklicher Entwicklungen. Wie alle archetypischen Ereignisse und Emotionen kann Eifersucht die Stärke einer überwältigenden, verschlingenden, rasenden, destruktiven und selbstdestruktiven Macht haben. Sie ist dann ein Komplex, dem das bewusste Ich mehr oder weniger ausgeliefert ist.

Eifersucht erwacht rasch, wenn mindestens zwei Menschen (oder auch Tiere) miteinander in Beziehung stehen und ein Dritter oder ein Drittes von außen eindringt, um mit einem der beiden eine intensivere Beziehung aufzunehmen. Als Folge dieser veränderten Beziehungsdynamik entstehen Verlustangst, Angst vor Ausgeschlossensein und Zurückgesetztwerden, Konkurrenzgefühle, Rivalität sowie die Angst, Besitzansprüche zu verlieren oder aufgeben zu müssen. Auch ein starkes Engagement für eine andere Sache kann diese Ängste, Zweifel, Befürchtungen gegenüber einem eindringenden Dritten aktivieren. Genau so kann auch das Gefühl entstehen, plötzlich selber "das fünfte Rad am Wagen" oder störender Dritter zu sein.

Besonders häufig tritt Eifersucht in Paar- bzw. Dreiecksbeziehungen und in Familien auf. In der Kindheit spielt die Geschwisterrivalität eine hervorragende Rolle. Eifersucht wird nicht zuletzt durch ödipale Konfliktsituationen und durch die besondere Beziehungsgestaltung in den heute sogenannten "Patchworkfamilien" zu einer komplexen innerpsychischen und interpersonellen Konfliktdynamik. Das spiegelt sich ganz klassisch etwa in den Stief-Eltern- und Stiefgeschwisterkonflikten der Märchen wie Aschenputtel, Hänsel und Gretel, Schneewittchen. Im Märchen Dornröschen führt das Gefühl des Ausgeschlossenseins zum Todeswunsch. Ebenso kennen wir diese Situation aus Träumen: Eine mit einem erfolgreichen Musiker verheiratete Frau träumte immer dann, wenn ihr Mann mit einer neuen Komposition sehr beschäftigt war, dass er sie mit einer anderen Frau betrüge und erlebte so schmerzhaft ihr Ausgeschlossensein aus seiner Welt, ihre Angst und Eifersucht.

Um bei stärkeren Eifersuchtsgefühlen die Verlustangst und die zugehörigen anderen Affekte und Emotionen wie Trauer und Aggression, Ohnmacht, Neid, Scham, Selbstzweifel und Selbstwertdefizite, Misstrauen etc. abzuwehren, werden oft übermäßige Kontrolle und Anklammern, Hass und Aggression, Rachefantasien, beleidigter Rückzug, Rationalisierung eingesetzt.(Der Unterschied zwischen Neid und Eifersucht kann grob etwa so definiert werden: Eifersucht ist von Verlustangst gekennzeichnet, Neid meint eher das unangenehme, drängende Gefühl, etwas haben zu wollen, was andere bereits haben, man selber aber nicht.)

Einige ausgewählte Beispiele aus Mythologie, Überlieferung und Kunst: Hera ist in der griechischen Götterwelt die Verkörperung der Ehefrau schlechthin, entsprechend auch die Verkörperung der eifersüchtigen Ehefrau. Eifersüchtig ist sie sowohl auf ihre Rivalinnen wie auch auf deren Kinder. Die aus Zeus Untreue erwachsenden Eifersuchtsdramen sind Legion. Medea ist eine starke, machtvolle Frau, die ihrem Mann Jason zu Ansehen und Erfolg verhilft und dann wegen einer Jüngeren von ihm verlassen wird. Die eifersüchtige Medea rast derart, dass sie die gemeinsamen Kinder tötet. In der germanischen Mythologie ist es beispielsweise Brünhild, die Eifersucht und Kränkung mit der Intrige zur Tötung des Helden Siegfried beantwortet. Kain ist der erste eifersüchtige Bruder der Bibel, ihm folgen viele. Josef etwa wird von seinen eifersüchtigen Brüdern nach Ägypten verkauft. Die eifersüchtige Sara, Frau Abrahams und Mutter des Isaak, erreicht nach der Geburt des Isaak, dass Abrahams Sohn Ismael mit seiner Mutter Hagar in die Wüste verstoßen wird. Shakespeare erfindet die Figur des eifersüchtigen Othello, dessen Tragödie auch von Rossini und Verdi musikalisch aufgegriffen wird.

Nicht alle Eifersucht endet allerdings so tragisch wie die Othellos. Oft gelingt es auch - in Opern, Komödien, Verwechslungskomödien u. a. literarischen Gestaltungen, in modernen Filmen wie auch im realen Leben, die Eifersucht als ein Symptom für eine Beziehungsstörung zu erkennen und die Störung konstruktiv zu verarbeiten. Angst und Trauer angesichts des drohenden Verlustes, Vertrauen und Misstrauen, Selbstwert- und Liebesdefizite spüren, Veränderungen und Entwicklungsmöglichkeiten wahrnehmen, das unangenehme, störende Gefühl der Eifersucht mit all seinen begleitenden Affekten als eine Frage nach dem eigenen Wert und dem Wert einer Beziehung ernst nehmen, kann zu neuen Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten führen. Oft enden z. B. Verwechslungskomödien oder Liebesfilme damit, dass eine von Trennung und Verlust bedrohte Beziehung sich durch Eifersucht und die daraus fließende Aktivität verjüngt, dass wieder mehr Intensität entsteht.

Ob es möglich ist, die Eifersucht z. B. mittels Beziehungsarbeit oder eines spezifischen Begriffs von Liebe zu überwinden, wird überall dort diskutiert, wo es um die Frage der Mono- bzw. Polygamie und die Frage nach der Möglichkeit der Freien Liebe geht; vgl. Subkulturen, in denen entweder sexuelle oder auch nicht-sexuelle Polygamie gelebt wird, etwa in verschiedenen Formen der Kommunen und Ashrams, die Versuche offener Ehe oder Beziehung, auch in Swinger-Clubs und in polyamoren Lebensgemeinschaften.

Literatur: Standard, Kast (1996)

Autor: Müller, Anette