Esoterik

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Keyword: Esoterik

Links: Erleuchtung, Innen, Initiation, Introversion, Magie, Mystos-Prinzip, Mystik

Definition: Esoterik, von griech eso, innen (im Gegensatz zu exo, außen) bezieht sich in erster Linie auf die sinntragenden Innenbereiche geistig-religiöser Zusammenhänge, während sich die dazu gehörigen Institutionen und Organisationen mit ihren Aktivitäten nach außen wenden. Gemeint ist sodann das innen Erfahrene, das man nicht beliebig mitteilen kann, weil es im Vollsinn des Wortes nur denjenigen zugänglich ist, die die entsprechenden Erlebnisse (Initiation) und Erkenntnisprozesse durchlaufen haben und insofern über die jeweilige Eigenerfahrung verfügen, während Außenstehende erst für die zugrundeliegende Idee gewonnen werden oder in einer adäquaten Form dafür vorbereitet werden müssen.

Information: Schon die antike Philosophie unterschied das, was (esoterisch) den unmittelbaren Schülern eines Weisheitslehrers anvertraut werden konnte, gegenüber dem, was man (exoterisch) an die Öffentlichkeit herantrug. Nicht selten ist das Durchlaufen eines inneren Reifungsprozesses erforderlich, den die Tradition seit den antiken Mysterien und Einweihungsstätten ähnlich dem mystischen Weg als Stufen der Reinigung, der Erleuchtung und der Vollendung bzw. Vereinigung (Coniunctio) kannte.

In der Geschichte des Christentums hat es von Anfang an eine eigenständige Esoterik gegeben. Nur Getauften, die als Erwachsene einen speziellen Vorbereitungskurs (Katechumenat) absolviert hatten, machte man beispielsweise mit dem zentralen Mysterium des christlichen Glaubens bekannt. Nur sie durften die Eucharistie (Hl. Abendmahl; Messe) empfangen. Das "esoterische Christentum" hat im Laufe der Kirchengeschichte vielfältige Formen entwickelt, auch wenn die Empfängerinnen und Empfänger innerer Erfahrung nicht ausdrücklich als "Esoteriker" bezeichnet wurden, etwa in der abendländischen Mystik, in der Theosophie, im Zusammenhang von spirituellen oder meditativen Schulungswegen, in kirchlichen Ordensgemeinschaften oder geheimen (initiatischen) bzw. geschlossenen Gesellschaften (z. B. Freimaurer).

In der Gegenwart ist es nicht unproblematisch, auf die esoterische Dimension der Wirklichkeit hinzuweisen, weil sich seit Ende des 20. Jahrhunderts eine Welle der Pseudo-Esoterik in der Sachliteratur und in der allgemeinen Publizistik ausgebreitet hat. Es wurde der irritierende Eindruck erweckt, Esoterik sei schlechthin all das, was in den okkultistischen Formenkreis hineingehört, selbst mit Einschluss parapsychologischer Phänomene, Äußerungsformen des Orakelwesens samt der Vielfalt obskurer Praktiken.

Interpretation: Meist wendet sich die modisch bedingte Pseudo-Esoterik an das Sensationsbedürfnis breiter Bevölkerungsschichten. Damit wird einem Missverständnis Vorschub geleistet, denn die echte, dem ursprünglichen Wortsinn entsprechende Esoterik hebt sich deutlich von allen Formen einer vordergründig bleibenden (exoterischen) Veräußerlichung ab.

Verständlich und durchwegs legitim ist indes das Verlangen nach inneren Erfahrungsmöglichkeiten, die geeignet sind, ein Korrektiv zu einer einseitig-extravertierten Einstellung zu bilden, nachdem der auf dem Weg äußerer Weltbewältigung verursachte "Seelenverlust" in der Gesellschaft zu einem allgemein zu beobachtenden geistig-seelischen Vakuum geführt hat."Der Seelenverlust entspricht dem Losreißen eines Teils des eigenen Wesens, dem Verschwinden und der Emanzipation eines Komplexes, der dadurch zum tyrannischen Usurpator des Bewusstseins wird, das Ganze unterdrückt, ihn aus seiner Bahn wirft und zu Handlungen zwingt, deren blinde Einseitigkeit die Selbstzerstörung zur unvermeidlichen Gefolgschaft hat" (C. G. Jung: Psychologische Typen). Die ernsthafte Beschäftigung mit Esoterik entspräche demnach dem Bedürfnis nach Ganzwerdung.

Literatur: Standard; Wehr, 1995

Autor: Wehr, Gerhard