Frucht und Tochter: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Keyword:''' Frucht
'''Keyword:''' Tochter


'''Links:''' [[Apfel]], [[Banane]], [[Baum]], [[Bios-Prinzip]], [[Erdbeere]], [[Eros-Prinzip]], [[Fruchtbarkeit]], [[Essen]], [[Mutter, große]], [[Nahrung]] , [[Nuss]], [[Traube]]
'''Links:''' [[Kind]], [[Mädchen]], [[Mutter]], [[Vater]]


'''Definition:''' Etymol. von lat."fructus", das von der Verbform "frui" "genießen, Nutzen ziehen" abgeleitet ist. Aus dem Fruchtknoten einer Blüte entstehendes Organ während der Samenentwicklung, das den oder die Samen enthält.
'''Definition:''' Etymologisch stammt das Wort "Tochter" aus einer indogermanischen Wurzel. Es bezeichnet ein leibliches weibliches Kind, wird aber auch im übertragenen und mythischen Sinne gebraucht. Tochter des Windes, Tochter der Sonne, Tochter des Wassers, Tochter der Weisheit meint ein weibliches Wesen, das mit seiner Herkunft so gut wie identisch oder dessen Ausdruck ist.


'''Information:''' Die Frucht ist das letzte Stadium des vegetativen Wachstums vor der Ernte und wird deshalb mit Reife, abgeschlossener Entwicklung und der Jahreszeit des Sommers oder Herbstes in Verbindung gebracht. Die Frucht ist eine Synthese aus Erdtiefe und Lichthöhe. Sie bezieht ihre Kräfte aus dem Stamm des Baumes oder Strauches, der in ihr zu seiner Vollendung kommt. Wie [[Gemüse]] sind Früchte in unserer Ernährung unverzichtbar, tragen zu unserer Gesundheit bei und dienen zur Erhaltung des Daseins. Darüber hinaus sind Früchte das Erotische in der Natur, das, was man pflücken kann und muss ([[Erdbeere]]). Pflückt man nicht, verpasst man Chancen (siehe Märchen: "Frau Holle" KHM 24). Für die Menschen in der Antike waren Früchte Geschenke der Götter, deshalb wurden insbesondere den Obstbäumen große Achtung erwiesen. Der Natur näher als wir und vor allem empfänglicher für ihr heiliges Wesen, staunten die Menschen der Antike angesichts der geheimnisvollen Genese der Früchte und der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, die sie boten. Obwohl Eicheln, Äpfel, Mandeln, Feigen, Datteln, Trauben, Oliven, Nüsse usw. allesamt Früchte sind, ist jede aus ihrer eigenen Evolution hervorgegangen und besitzt jede eine eigene, von den anderen verschiedene Struktur.
'''Information:''' Die Frauenbewegung hat in den letzten Jahrzehnten den Töchtern überhaupt zum ersten Mal Aufmerksamkeit zugewendet, dabei aber zum größten Teil Erschreckendes zutage gefördert. Das reicht von der vielfachen Tötung neugeborener Töchter in Asien bis zur - besonders in Ostafrika - weit verbreiteten Klitorisbeschneidung der Töchter, von der in armen Gegenden üblichen Nutzung der Tochter als Prostituierte, um die Familie zu ernähren (Sextourismus, Aidsausbreitung), bis zum noch zunehmenden Mädchenhandel zur Prostitution oder der Zwangsadoption und Sterilisierung von Töchtern zur Ausrottung ganzer Völker und Rassen. Das geht von der Ausbeutung der Töchter als Arbeitskraft bis zu ihrer Rekrutierung als Kindersoldaten und ihrer Vergewaltigung in allen Kriegen.


Bei den Latinern wachte die Göttin Pomona über das Reifen der Früchte. Sie sind auch typische Attribute der altorientalischen und antiken Muttergöttinnen ([[Füllhorn]]), deren Sohn selbst "die große Frucht" ist.
Aber auch in sogenannten zivilisierten Ländern ist das Ausmaß der Leiden von Töchtern groß. Kindesmisshandlung und sexueller Missbrauch innerhalb der Familien sind weit verbreitet. Wo solche extremen Auswüchse nicht zu beobachten sind, sind doch zahllose Berichte erwachsener Frauen publiziert worden, die von ihren Müttern oder Vätern nachhaltig psychisch geschädigt worden sind. Angesichts dieser Tatsachen aus Geschichte und Gegenwart könnte man die Tochter geradezu zum Symbol des Leidens von Kindern, Frauen, unterdrückten Rassen und Ethnien unter zahllosen Formen der Gewalt und der kulturellen Missbrauchs erklären.


'''Interpretation:''' Die Frucht vom Baume des Lebens ist die Unsterblichkeit. So sind Früchte Sinnbilder für Fruchtbarkeit und Wachstum, für Leben, sowie dessen süße, sommerliche, auch erotische Fülle. Hieronymus Bosch hat im "Garten der Lüste" unzählige F. e gemalt, die nach mittelalterlicher Vorstellung als Symbole von Wollust und Völlerei angesehen wurden, mittlerweile aber als Ausdruck von Sinnenfreude, Potenz und lebensbejahendem erotisch- seuxuellen Fantasien angesehen werden. In den Paradiesvorstellungen des Alten Testamentes spielten Früchte eine wesentliche Rolle, insbesondere als verbotene Frucht, die Eva vom Baum der Erkenntnis pflückte. Als Früchte des biblischen Sündenfalls wurden Traube, [[Feige]], Kirsche und vor allem der [[Apfel]] genannt. Somit symbolisieren Früchtein der christlichen Symbolik die Verlockung der Sünde."Eine Frucht der Liebe sein" bezog man deshalb auf uneheliche Kinder."Die Frucht ihres Leibes sein" bedeutet ihr Kind sein, was biblisch in Elisabeths Gruß an Maria vorkommt: "gebenedeit sei die Frucht deines Leibes". (Lukas 1, 42) Die Früchte, die Christus der Menschheit reicht, führe zum ewigen Leben. In Malerei und Plastik hält das Jesuskind deshalb einen Apfel oder Granatapfel in der Hand.
Die jüngere Forschung sagt andererseits, dass Töchter vitaler sind als Söhne und auch unter ungünstigen sozialen Bedingungen heranwachsen. Sie sind sprachbegabt, anpassungsfähig und von Kind auf bereit und fähig, für andere Verantwortung zu übernehmen.


In Märchen sind (goldene) Früchte, die an Bäumen wachsen, begehrt werden, heilend wirken und manchmal gestohlen werden Symbole des Selbst ("Der goldene Vogel" KHM 57, "Der Königssohn, der sich vor nichts fürchtet" KHM 121, "Einäuglein, Zweiäuglein, Dreiäuglein" KHM 130, "Der Vogel Greif" KHM 165" usw.
'''Interpretation:''' Je nach Kultur und Wert des Weiblichen hat die Tochter als verjüngte Erscheinung ihrer Mutter einen hohen Rang, bestätigt und erhöht deren Macht und Fähigkeiten (Demeter und Kore) oder sie gilt, wo das Weibliche entwertet ist, als Last und Unglück, weil sie nur ein Mädchen anstelle des erwarteten Sohnes ist.


Im Märchen "Der goldene Vogel" bedeutet der Raub der goldenen Äpfel durch einen Vogel einen Seelenverlust und eine Einseitigkeit der Bewusstseinseinstellung beim alten König. Im Märchen "Der Bauer und der Teufel" KHM 189, äußert der Teufel "Verlangen nach den Früchten der Erde", wird jedoch vom klugen Bauer überlistet.
Ausdruck für die Ablösung der Bedeutung des Weiblichen ist der Mythos von der Göttin Athene, die nicht von einer Mutter geboren, sondern schon erwachsen dem Haupt des Zeus entsprungen ist.


Früchte sind in der Juristensprache auch die Erzeugnisse einer Sache (z. B. die Milch oder Kalb einer Kuh), die aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen werden. Im positiven Sinne sprechen wir von "fruchtbaren" Gedanken, "etwas wird reiche Frucht tragen", den "Früchten der Arbeit" (Wohlverdientes genießen), der "Frucht langjähriger Arbeit", "an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen" und von geistiger "Fruchtbarkeit".
In Märchen von jungen Helden spielt die Königstochter eine Rolle als Repräsentantin von Land und Königtum, das der Held durch seine Taten zu gewinnen hat. Nicht selten muss er sie aus der Höhle eines Drachen oder anderen Ungeheuers befreien. Mit der Hand der Königstochter erwirbt er den Thron. Darin spiegelt sich die patriarchale und feudale Rechtslage, nach der nur ein Mann König werden kann, aber wohl auch die Erinnerung an matrizentrische Epochen, in denen die Tochter Erbin der Mutter war und als Priesterin und Königin sich einen Helden zum Gemahl erwählte und ihm damit auch einen Platz auf dem Thron gewährte.


Etliche Redewendungen drehen sich um die verbotenen Frucht: "Verbotene Früchte schmecken süß/ am besten"."Von den verbotenen Früchte gekostet haben" meint meist (vorzeitige) unerlaubte sexuelle Kontakte."Die süßesten Früchte (nicht erreichen) begehren" meint, das Köstlichste (nicht) erlangen können. Refrain eines Schlagers: "Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere und weil wir beide klein sind und diese Bäume hoch sind, erreichen wir sie nie."
Für Mütter spielt die Tochter eine ambivalente Bedeutung. Einerseits sieht sie in ihr die Bestätigung ihrer eigenen Weiblichkeit, ihr Spiegelbild und die Fortdauer des Lebens. Sie wird sie lange in Abhängigkeit behalten wollen (vgl. z. B. Märchen Rapunzel). Auf der anderen Seite kann sie auf die Tochter auch ihre eigene Selbstablehnung übertragen und versuchen, sie am Leben zu hindern (vgl. Märchen Aschenputtel) und wird, wenn sie heranwächst, schmerzlich an ihr eigenes Altwerden erinnert (vgl. Märchen Schneewittchen). Zahlreiche Märchen erzählen davon, dass eine Mutter ihre Töchter sehr gegensätzlich behandeln kann. Die eine wird geliebt, die andere abgelehnt (vgl. Märchen Frau Holle und Einäuglein, Zweiäuglein, Dreiäuglein).


Früchte als Attribute der großen Muttergöttinnen sind also Geschenke der Mutter Natur, die in Zusammenhang mit den sinnlichen Freuden des Sommers stehen. Sie sind das Saftige, das Pralle, das Erotische in der Natur, sind Symbole der [[Fülle]], der Fruchtbarkeit, wie der erotischen Süße und Üppigkeit des Lebens ([[Eros-Prinzip]]). Früchte weisen deshalb im Traum auch auf erotisch-sexuelle Bedürfnisse, Sehnsüchte und Wünsche hin. Reife, appetitliche Früchte deuten auf Lebensfreude, innere und äußere Ressourcen, Selbstbewusstsein, Sinnlichkeit wie auch eine beschwingte Leichtigkeit im Leben hin, die gesucht oder gelebt werden. Sind die Früchte hingegen ungenießbar oder faul, so kann dieses Traumbild Unsicherheit, Entbehrungen und sexuelle Enttäuschungen vermuten lassen.
Für Väter bedeutet die Tochter oft eine Belebung ihrer eigenen Gefühls- und Beziehungsfähigkeit. Andere Väter beachten ihre Töchter gar nicht.


'''Literatur:''' Standard
Väter neigen dazu, die Tochter als ihr Eigentum zu betrachten (leiblich und geistig bis zum Inzest) und reagieren mit Eifersucht, wenn die Tochter sich einen anderen männlichen Partner wählt. Mütter und Väter neigen demnach dazu, die Tochter als Symbol der Stärkung und Verlängerung ihrer eigenen Lebenspotenz zu nutzen oder sie – als andere Seite der Medaille - zu vernichten.


'''Autor:''' Kuptz-Klimpel, Annette
Mythen und Märchen erzählen oft davon, wie der Vater die Tochter zur Erhaltung seiner Macht und seines Reichtums opfert. Bekanntes Beispiel dafür ist Iphigenie, die König Agamemnon für sein Kriegsglück opfert, aber auch zahlreiche Märchen, in denen der durch Armut, Niederlage oder einen Drachen bedrohte Vater ausgerechnet seine Tochter opfert (vgl. Märchen Das Mädchen ohne Hände, biblische Erzählung von Jephtas Tochter). Töchter fallen durch ihre Hingabefähigkeit bis zur Opferbereitschaft auf. Sie dienen geduldig und ertragen viel. In mehrfacher Hinsicht sind sie „Mädchen für alles“. Andere Märchen erzählen von inzestuösen Absichten der Väter, denen die Heldinnen sich nur schwer entziehen können (vgl. Märchen Allerleirau). Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang die christlichen Legenden von den heiligen Jungfrauen (Katharina, Margareta, Barbara und viele andere), in denen mächtige Väter ihre Töchter an andere heidnische Herrscher verheiraten wollen, die Töchter sich aber verweigern, weil sie ihren himmlischen Bräutigam Christus lieben und deshalb den Märtyrertod finden.
 
Die Tiefenpsychologie unterscheidet Vatertöchter von Muttertöchtern. Vatertöchter haben als Kind eine enge Beziehung zum Vater, identifizieren sich mit ihm, möchten selbst lieber ein Mann sein und entwickeln durch seine Förderung oft die Fähigkeit zu höchsten sportlichen oder intellektuellen Leistungen. Ihre Beziehungsfähigkeit bleibt oft unterentwickelt. Muttertöchter identifizieren sich mit der Mutter, ahmen sie nach und entfalten entsprechende weibliche Fähigkeiten.
 
Töchter sind eine ganz wesentliche lebende Ressource, die für jeden erdenklichen Zweck genutzt werden kann und wird, ob für religiöse oder politische, für soziale oder pädagogische, für wirtschaftliche oder individuelle.
 
Erstaunlich ist, dass diese Ressource immer wieder zur Verfügung steht und dennoch in ihrem eigenen, individuellen Wert kaum beachtet wird.
 
In Träumen von Frauen kann die eigene Tochter als wesentliche Bestätigung des eigenen Lebenssinns erscheinen, ihr Verlust als größte Bedrohung. In Analysen wird oft das Erleben von Frauen mit ihren Müttern thematisiert, das nicht selten von schmerzlichen Irritationen begleitet war und noch die erwachsene Frau am Leben hindert. Eine Versöhnung muss schwer erkämpft werden. Männer können auf ihre Töchter eine ideale Beziehung projizieren, reagieren aber mit größter Verlustangst, sobald die Tochter sich ihnen entzieht.
 
'''Literatur:''' Standard, Wöller, 1991
 
'''Autor:''' Wöller, Hildegunde

Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 17:52 Uhr

Keyword: Tochter

Links: Kind, Mädchen, Mutter, Vater

Definition: Etymologisch stammt das Wort "Tochter" aus einer indogermanischen Wurzel. Es bezeichnet ein leibliches weibliches Kind, wird aber auch im übertragenen und mythischen Sinne gebraucht. Tochter des Windes, Tochter der Sonne, Tochter des Wassers, Tochter der Weisheit meint ein weibliches Wesen, das mit seiner Herkunft so gut wie identisch oder dessen Ausdruck ist.

Information: Die Frauenbewegung hat in den letzten Jahrzehnten den Töchtern überhaupt zum ersten Mal Aufmerksamkeit zugewendet, dabei aber zum größten Teil Erschreckendes zutage gefördert. Das reicht von der vielfachen Tötung neugeborener Töchter in Asien bis zur - besonders in Ostafrika - weit verbreiteten Klitorisbeschneidung der Töchter, von der in armen Gegenden üblichen Nutzung der Tochter als Prostituierte, um die Familie zu ernähren (Sextourismus, Aidsausbreitung), bis zum noch zunehmenden Mädchenhandel zur Prostitution oder der Zwangsadoption und Sterilisierung von Töchtern zur Ausrottung ganzer Völker und Rassen. Das geht von der Ausbeutung der Töchter als Arbeitskraft bis zu ihrer Rekrutierung als Kindersoldaten und ihrer Vergewaltigung in allen Kriegen.

Aber auch in sogenannten zivilisierten Ländern ist das Ausmaß der Leiden von Töchtern groß. Kindesmisshandlung und sexueller Missbrauch innerhalb der Familien sind weit verbreitet. Wo solche extremen Auswüchse nicht zu beobachten sind, sind doch zahllose Berichte erwachsener Frauen publiziert worden, die von ihren Müttern oder Vätern nachhaltig psychisch geschädigt worden sind. Angesichts dieser Tatsachen aus Geschichte und Gegenwart könnte man die Tochter geradezu zum Symbol des Leidens von Kindern, Frauen, unterdrückten Rassen und Ethnien unter zahllosen Formen der Gewalt und der kulturellen Missbrauchs erklären.

Die jüngere Forschung sagt andererseits, dass Töchter vitaler sind als Söhne und auch unter ungünstigen sozialen Bedingungen heranwachsen. Sie sind sprachbegabt, anpassungsfähig und von Kind auf bereit und fähig, für andere Verantwortung zu übernehmen.

Interpretation: Je nach Kultur und Wert des Weiblichen hat die Tochter als verjüngte Erscheinung ihrer Mutter einen hohen Rang, bestätigt und erhöht deren Macht und Fähigkeiten (Demeter und Kore) oder sie gilt, wo das Weibliche entwertet ist, als Last und Unglück, weil sie nur ein Mädchen anstelle des erwarteten Sohnes ist.

Ausdruck für die Ablösung der Bedeutung des Weiblichen ist der Mythos von der Göttin Athene, die nicht von einer Mutter geboren, sondern schon erwachsen dem Haupt des Zeus entsprungen ist.

In Märchen von jungen Helden spielt die Königstochter eine Rolle als Repräsentantin von Land und Königtum, das der Held durch seine Taten zu gewinnen hat. Nicht selten muss er sie aus der Höhle eines Drachen oder anderen Ungeheuers befreien. Mit der Hand der Königstochter erwirbt er den Thron. Darin spiegelt sich die patriarchale und feudale Rechtslage, nach der nur ein Mann König werden kann, aber wohl auch die Erinnerung an matrizentrische Epochen, in denen die Tochter Erbin der Mutter war und als Priesterin und Königin sich einen Helden zum Gemahl erwählte und ihm damit auch einen Platz auf dem Thron gewährte.

Für Mütter spielt die Tochter eine ambivalente Bedeutung. Einerseits sieht sie in ihr die Bestätigung ihrer eigenen Weiblichkeit, ihr Spiegelbild und die Fortdauer des Lebens. Sie wird sie lange in Abhängigkeit behalten wollen (vgl. z. B. Märchen Rapunzel). Auf der anderen Seite kann sie auf die Tochter auch ihre eigene Selbstablehnung übertragen und versuchen, sie am Leben zu hindern (vgl. Märchen Aschenputtel) und wird, wenn sie heranwächst, schmerzlich an ihr eigenes Altwerden erinnert (vgl. Märchen Schneewittchen). Zahlreiche Märchen erzählen davon, dass eine Mutter ihre Töchter sehr gegensätzlich behandeln kann. Die eine wird geliebt, die andere abgelehnt (vgl. Märchen Frau Holle und Einäuglein, Zweiäuglein, Dreiäuglein).

Für Väter bedeutet die Tochter oft eine Belebung ihrer eigenen Gefühls- und Beziehungsfähigkeit. Andere Väter beachten ihre Töchter gar nicht.

Väter neigen dazu, die Tochter als ihr Eigentum zu betrachten (leiblich und geistig bis zum Inzest) und reagieren mit Eifersucht, wenn die Tochter sich einen anderen männlichen Partner wählt. Mütter und Väter neigen demnach dazu, die Tochter als Symbol der Stärkung und Verlängerung ihrer eigenen Lebenspotenz zu nutzen oder sie – als andere Seite der Medaille - zu vernichten.

Mythen und Märchen erzählen oft davon, wie der Vater die Tochter zur Erhaltung seiner Macht und seines Reichtums opfert. Bekanntes Beispiel dafür ist Iphigenie, die König Agamemnon für sein Kriegsglück opfert, aber auch zahlreiche Märchen, in denen der durch Armut, Niederlage oder einen Drachen bedrohte Vater ausgerechnet seine Tochter opfert (vgl. Märchen Das Mädchen ohne Hände, biblische Erzählung von Jephtas Tochter). Töchter fallen durch ihre Hingabefähigkeit bis zur Opferbereitschaft auf. Sie dienen geduldig und ertragen viel. In mehrfacher Hinsicht sind sie „Mädchen für alles“. Andere Märchen erzählen von inzestuösen Absichten der Väter, denen die Heldinnen sich nur schwer entziehen können (vgl. Märchen Allerleirau). Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang die christlichen Legenden von den heiligen Jungfrauen (Katharina, Margareta, Barbara und viele andere), in denen mächtige Väter ihre Töchter an andere heidnische Herrscher verheiraten wollen, die Töchter sich aber verweigern, weil sie ihren himmlischen Bräutigam Christus lieben und deshalb den Märtyrertod finden.

Die Tiefenpsychologie unterscheidet Vatertöchter von Muttertöchtern. Vatertöchter haben als Kind eine enge Beziehung zum Vater, identifizieren sich mit ihm, möchten selbst lieber ein Mann sein und entwickeln durch seine Förderung oft die Fähigkeit zu höchsten sportlichen oder intellektuellen Leistungen. Ihre Beziehungsfähigkeit bleibt oft unterentwickelt. Muttertöchter identifizieren sich mit der Mutter, ahmen sie nach und entfalten entsprechende weibliche Fähigkeiten.

Töchter sind eine ganz wesentliche lebende Ressource, die für jeden erdenklichen Zweck genutzt werden kann und wird, ob für religiöse oder politische, für soziale oder pädagogische, für wirtschaftliche oder individuelle.

Erstaunlich ist, dass diese Ressource immer wieder zur Verfügung steht und dennoch in ihrem eigenen, individuellen Wert kaum beachtet wird.

In Träumen von Frauen kann die eigene Tochter als wesentliche Bestätigung des eigenen Lebenssinns erscheinen, ihr Verlust als größte Bedrohung. In Analysen wird oft das Erleben von Frauen mit ihren Müttern thematisiert, das nicht selten von schmerzlichen Irritationen begleitet war und noch die erwachsene Frau am Leben hindert. Eine Versöhnung muss schwer erkämpft werden. Männer können auf ihre Töchter eine ideale Beziehung projizieren, reagieren aber mit größter Verlustangst, sobald die Tochter sich ihnen entzieht.

Literatur: Standard, Wöller, 1991

Autor: Wöller, Hildegunde