Mitte

Aus symbolonline.eu
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Keyword: Mitte

Links: Kreis, Mandala, Mysterium coniunctionis, Platz, Punkt, Rad

Definition: Die Mitte, das Zentrum ist der Punkt mit dem gleichen Abstand zu der Grenze einer geometrischen Fläche (Kreis, Quadrat, Dreieck) bzw. eines geometrischen Körpers (Kugel). Der optische Mittelpunkt eines Bildes muss nicht mit dem geometrischen übereinstimmen.

Die Mitte kann darüber hinaus auch den ausgewogenen Abstand zwischen zwei Polen darstellen. Im Chinesischen wird die Mitte zwischen Himmel (Yang) und Erde (Erde) als ausgewogener Zustand der absoluten Harmonie angestrebt.

Information: Unter Mitte oder Zentrum kann auch der markante Platz eines Systems gemeint sein, an dem das wirtschaftliche, politische oder gesellschaftliche Leben seinen Schwerpunkt hat. Das Zentrum eines Systems hat leitende und steuernde Funktion.

„Zentrum“ wurde die 1871 gegründete Deutsche Zentrumspartei genannt. Sie sammelte die katholische Wählerschaft; wegen der Sitzplätze zwischen den konservativen „Rechten“ und den liberalen „Linken“ wurde die Partei „Zentrum“ genannte.

Das heliozentrische Weltbild stellt die Sonne ins Zentrum des uns bekannten Systems. Während beim geozentrischen Weltbild das Empfangende im Mittelpunkt steht, wird beim heliozentrischen Weltbild das Energie und Nahrung Spendende auf das Zentrum projiziert.

Das Trägheitsprinzip (1. Newtonsches Axiom) besagt, dass alle Körper eine ihnen innewohnende Trägheit besitzen. Sofern keine äußeren Einflüsse einwirken, behält jeder Körper seine Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung bei. Damit ein geradlinig sich bewegender Körper auf eine Kreisbahn gezwungen werden kann, müssen auf ihn zentripetale Kräfte wirken. Die Kraft der ablenkenden Richtung weist auf die Mitte. Es ist die zentripetale (lat. „petere“ = ziehen) Kraft, die das (geradlinige) Trägheitsmoment des Körpers überwindet und ihn auf seiner Kreisbahn zwingt.

Zentrifugale Kräfte (lat. „fugere“ = fliehen) drängen vom Zentrum weg,

expandieren und haben eine ausbreitende, nach außen drängende Wirkung.

Nach dem 3. Newtonsche Axiom treten beide Kräfte als gleich große Kraft und Gegenkraft auf. Anziehende und abstoßende Kräfte wirken aus dem Zentrum heraus. Expansion und Kontraktion ergänzen einander.

Interpretation: Zwischen Zentrum und Peripherie besteht eine sich einander bedingende Wechselbeziehung. Das Zentrum verwirklicht sich in der Peripherie und die Peripherie bezieht ihre Kraft aus dem Zentrum. Aus dem Zentrum entwickelt sich die Dimension des Raumes. Der Raum verdichtet sich im Zentrum. Steht das Zentrum für Eindeutigkeit, so der Kreis für Vielheit.

In der Mitte einer Gesellschaft zu stehen, heißt, sich allen Blicken und demzufolge auch aller Kritik auszuliefern. Es gehört Selbstbewusstsein dazu, sich in die Mitte der Aufmerksamkeit zu stellen.

Das geozentrische Weltbild sah die Erde umgeben von der sie umschließenden (Himmels-) Welt. Dem entspräche die zentrale Rolle eines Volkes oder einer Hauptstadt als Nabel der Welt. Bei einem egozentrischen Weltbild steht das Ich im Mittelpunkt der Weltsicht. Alle Interessen haben sich unterzuordnen.

Wer unbedingt im Mittelpunkt stehen will, sich dorthin drängt und entsprechend in Pose stellt, befriedigt seinen Narzissmus.

Das Zentrum partizipiert an dem es Umgebenden, an allem Seinsraum. Es hat als solches sakralen Charakter (Weltenbaum, Weltberg, Nabel, unus mundus). Als vergleichbares Symbol kann der Brunnen angesehen werden, auch als Ort, an dem sich Menschen treffen und begegnen, um aus der Tiefe Wasser zu schöpfen, aus der Tiefe des Unbewussten Libido ans Licht des Bewusstseins zu schöpfen.

Der Kreis der zyklischen Entwicklung wird angetrieben vom gestalterischen Zentrum der Schöpfungskraft. Das Paradies als Mitte der Schöpfung steht für das ungetrennte Einssein mit dem Schöpferwillen. Die Vertreibung aus dem Paradies hat als Reifungsschritt den Verlust dieser zentralen Seinserfahrung zur Folge, zugleich jedoch auch das Bewusstsein für die zuvor unbewusste göttliche Mitte gewonnen. Der verlorene zentrale Platz wurde als heiliger Raum symbolisch eingenommen vom Weltenbaum (germ. Yggdrasil), der heiligen Stadt Jerusalem, dem Altar als Weltenberg oder dem Erdnabel.

Das Zentrum steht für Konstanz, die Peripherie für Dynamik. Im Zentrum lösen sich alle Gegensätze auf. Aus ihm entspringt alles und kehrt dorthin zurück. Es ist Dreh- und Angelpunkt zugleich.

Verstrebungen (Speichen) zwischen Mitte (Nabe) und Peripherie (Radumfang) machen aus dem Kreis ein Rad.

Psychisch gesehen stellt das Selbst jene virtuelle Mitte dar, der alles seelische Leben entströmt und in die es mündet.

In dieser Doppelnatur des Zentrums steht es für die Orientierung der Ich-Selbst-Dynamik in der Verbindung von Innenraum (Seele) und Weltenraum (Ich). In der Mitte finder eine Vereinigung der Gegensätze statt, wie es sich auch im Mandala symbolisiert:

"Erst als ich die Mandalas zu malen anfing, sah ich, daß alles, alle Wege, die ich ging, und alle Schritte, die ich tat, wieder zu einem Punkte zurückführten, nämlich zur Mitte. Es wurde mir immer deutlicher: das Mandala ist das Zentrum. Es ist der Ausdruck für alle Wege. Es ist der Weg zur Mitte, zur Individuation." (Jaffé, Jung 1962, S. 200)

Auf den Körper bezogen kennen die verschiedenen Therapie- und Meditationsschulen verschiedene Zentren des Körpers: im Yoga Hara, im Chinesischen Dantian, in der Atemtherapie Solar Plexus.

Das Herz gilt wegen seiner lebenserhaltenden Funktion ebenfalls als Mitte des Körpers, als „innerer Ort“, aus dem heraus die Sicht für das Wesentliche möglich wird. (Antoine de Saint-Exupéry.)

Wer zentriert ist, ruht in sich oder ist eins mit sich und der Welt. Körperlich in seiner Mitte sein, bedeutet, eins mit sich und seiner Leibnatur zu sein; auch im Sinne eines transzendenten Einheitserlebnisses zu verstehen.

Literatur: Standard

Autor: Hammerstein, Günter