Größenfantasie und Schöpfung: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Keyword:''' Größenfantasie
'''Keyword:''' Schöpfung


'''Links:''' [[Aufstieg]], [[Berg]], [[Eros,-Prinzip]], [[Fliegen]], [[Geheimnis]], [[Glanz]], [[Heros-Prinzip]], [[Individuation]], [[Macht]], [[Magie]], [[Mystos-Prinzip]], [[Narzissmus]], [[Schatten]], [[Selbst]]
'''Links:''' [[Anfang]], [[Bewusstsein]], [[Bewusstseinsentwicklung]], [[Chaos]], [[Einheit]], [[Eins]], [[Geburt]], [[Gottesbild]], [[Logos]], [[Meer]], [[Mutter]], große [[Mystos-Prinzip]], [[Paradies]], [[Phallus]], [[Unus]] Mundus [[Unbewusstes]], [[Uroborus]], [[Weltbild]]


'''Definition:''' Größenfantasien sind [[Fantasien]] von der eigenen Großartigkeit, Besonderheit, Berühmtheit, Attraktivität ([[Eros-Prinzip]]) und [[Macht]], von besonderen Fähigkeiten, Kenntnissen und Heldentaten ([[Heros-Prinzip]]).
'''Definition:''' Unter Schöpfung (engl. creation) werden zum einen der von einer Gottheit vollzogene Akt der Erzeugung. Hervorbringung und Erschaffung des Seins, des Universums, der Welt, wie auch das Resultat desselben verstanden. Neben diesem religiösen Schöpfungsbegriff wird der Begriff auch als Bezeichnung für den kreativen Prozess und das (insbes. künstlerische) Werk des Menschen verwendet.


'''Information:''' Größenfantasien werden in der Psychologie sehr ambivalent gesehen: Sie können in verschiedenen Phasen des Lebens (insbesondere Kindheit, Pubertät und junges Erwachsenenalter) als Ausdruck der Freude an und über sich selbst, am eigenen Dasein, an eigenen Fähigkeiten und Begabungen, des Stolzes über gelungene Leistungen und der Vorfreude auf zukünftige Erfolge auftreten ("Ich bin doch der Größte!"), oft auch als Kompensation von erlebter Unsicherheit, Schwäche, Versagen und Abwertung. Größenfantasien haben eine sehr starke motivierende Kraft zum Guten wie zum Schlechten. Hinter den meisten herausragenden Leistungen und Errungenschaften wie auch hinter den schlimmsten Verbrechen der Menschheit stehen sicherlich noch größere, meist aber nicht öffentlich zugestandene Größenfantasien. Sie werden in der Regel verborgen gehalten, weil sie von der traditionellen Moral mit starken Abwertungen belegt werden. Der Betreffende läuft Gefahr, den Neid anderer Menschen zu erregen und von ihnen als arrogant, überheblich, eitel, geltungssüchtig, stolz, unbescheiden oder gar größenwahnsinnig eingestuft zu werden."Hochmut kommt vor dem Fall".
'''Information:''' Im Bereich der Religion versteht man unter Schöpfung die Erschaffung der Welt durch ein göttliches Wesen. Schöpfung in diesem Sinn ist ein integrierender Begriff der archaischen Weltsicht: jenes Selbst-und Weltverständnisses, bei dem man neben "dieser" Welt noch eine "jenseitige", unsichtbare Welt annahm: einen Bereich der Wirklichkeit, den man sich von unsichtbaren Wesen (Göttern, Zwischenwesen und "weiterlebenden Toten") bewohnt vorstellte. Von diesen glaubte man, sie können sich dem Menschen offenbaren und auf "diese" Welt einwirken. Göttern schrieb man auch die Fähigkeit zu, "diese" Welt zu erschaffen.


Fast alle Religionen sehen in der Egomanie eine Todsünde. Dementsprechend ist selbst die normale, natürliche, manchmal überschießende Freude an sich selbst und den eignen Fähigkeiten sehr oft mit Scham und Schuld besetzt. Obwohl in den tiefenpsychologischen Richtungen ein "gesunder Narzissmus" durchaus akzeptiert wird und die Fähigkeit zur Selbstliebe auch als wichtiges Ziel angesehen wird, klingt doch bei dem Thema der Größenfantasie entsprechend noch der christlichen Ehtik häufig eher das Bedenkliche und Pathologische durch. Natürlich dürfen die Gefahren der Größenfantasie nicht übersehen werden, aber die Konsequenz aus solchen Aussagen könnte auch sein, dass Menschen, da sie nicht als "inflationiert" gelten möchten, ihre individuellen Grenzen, eher nach unten setzen und den "Überschwang" und die Lebensfreude eher als problematisch ansehen. Mit den positiven Aspekten der Größenfantaisen scheint es ähnlich wie mit den positiven "gehobenen" Emotionen wie Ekstase, Freude, Glück, Humor und Leidenschaft zu sein. Sie führen in der Regel ein "Schattendasein" in den klassischen tiefenpsychologischen Schulen. Gleichzeitig ist relativ deutlich zu sehen, dass mit den Zielen der Psychoanalyse, Tiefenpsychologie und der Analytischen Psychologie nach Bewusstheit, Reife, Individuation und Ganzheit durchaus Größenfantasien und elitäre Vorstellungen verbunden sind, die aber wegen des "Inflationstabus" nicht zugestanden werden dürfen, was zu einer starken emotionalen Gehemmtheit und Vernünftigkeit der Analytiker im öffentlichen Auftreten und dann zu tatsächlich pathogenen Auswirkungen des ungelebten Narzissmuss führen kann.
Über die Erschaffung der Welt hatte jede Kultur hatte ihr eigenes "Wissen". Für ihre Mitglieder waren dies wahre, von Göttern offenbarte Berichte (Glaubensgut). Heute sprechen wir von Schöpfungsmythen. Unter den Mythen gehören diese zur Kategorie der naturerklärenden. Im Unterschied zu den religiösen, auf innerer Erfahrung beruhenden, gingen die Schöpfungsmythen - wie alle Natur und Geschichte erklärenden - aus Reflexion hervor. Sie waren zwar Antworten auf die Frage, wie die Welt entstanden sei, weil aber damals die kognitiven Mittel zur empirisch fundierten Beantwortung dieser Frage noch fehlten, ergossen sich jeweils Fantasien in das Wissensvakuum hinein: Gestaltungen des Unbewussten, in denen vorwiegend psychische Sachverhalte in einer Bildersprache veranschaulicht werden. Diese wurden - wie alle Fantasien - bei archaischer Weltsicht in der Projektion perzipiert (wahrgenommen) und deshalb konkretistisch (als physisch wahre Sachverhalte) apperzipiert (aufgefasst).


Von daher ist es wichtig, Größenfantasien nicht nur als Abwehrmechanismen zu verstehen. Sie haben als Ideal- und Zielvorstellungen der eigenen Entwicklung auch eine prospektive Funktion und können ungelebte Aspekte des Selbst, Begabungen und Potenziale zum Ausdruck bringen und die Energie für deren Verwirklichung liefern.
'''Interpretation:''' Ethnologen und Historiker haben eine kaum überschaubare Menge von Schöpfungsmythen zusammengetragen. Betrachtet man diese unter dem Gesichtspunkt, wie darin der Schöpfungs-Akt beschrieben wurde - als Kneten von Lehm oder Schlamm, als Vermessen des Himmels, als Samenerguss, Ausspucken oder Ausatmen oder als bloßes Aussprechen von Worten - kann man daraus eine Facette der Evolution des Bewusstseins während der archaischen Phase rekonstruieren.


'''Interpretation:''' Größenfantasien äußern sich, wie der Name schon sagt, in Fantasien und Symbolen der Attraktivität. Größe, Stärke, Macht, des Glanzes, des Ruhmes und der Ehre.
Für die Symbolforschung ergiebiger ist die Betrachtung unter dem Gesichtspunkt, was dabei - insbesondere in den frühesten Stadien - "geschaffen wurde". Da findet man die verschiedensten Bilder für das Hervorgehen des Bewusstseins aus dem Unbewussten: d. h. für das In-die-Welt-Treten der Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Ich und Nicht-Ich bzw. zwischen Subjekt und Objekt. Das [[Unbewusste]] wird dabei häufig veranschaulicht als [[Chaos]], als Urmeer oder als Urschlange, die sich in den Schwanz beisst ([[Uroboros]]), auch als Urelternpaar, das noch in Kohabitation aufeinander liegt. Das ("junge") Bewusstsein wird veranschaulicht als Zwischenraum, der beim Auseinanderrücken der Ureltern entstand, auch als Insel auf dem Ozean, als Urfelsen inmitten des Chaos, oder als Wapitihirsch, der aus dem Gebiet der "heiligen" Winde in "diese Welt" herüberspringt und aus dessen Rücken "alle Dinge dieser Welt" hervorgehen. Ein Bild für das Herauswachsen des Bewusstseins aus dem Unbewussten ist auch das Mutter-Kind-Symbol, wobei das Kind - je nach dem Entwicklungsstand des Bewusstseins, der dargestellt werden soll - ein Säugling, ein Kleinkind oder ein Jüngling bzw. eine Tochter ist.


In Träumen zeigen sie sich oft in besonderen Fähigkeiten und Leistungen, wie z. B. Fliegen, dem Besitz "übernatürlicher" magischer Kräfte, in vielerlei Erfolgserlebnissen und Heldentaten.
Durch die Mutation des Bewusstseins, die im Abendland seit Beginn der Neuzeit stattgefunden hat, ist die archaische Weltsicht überwunden worden. In deren Verlauf haben naturwissenschaftliche - auf empirisch fundiertem Wissen über die Natur beruhende - Theorien die naturerklärenden Mythen abgelöst. An die Stelle der Schöpfungsmythen (einschließlich des jüdischen Schöpfungs"berichts") trat dabei das Wissen um die Evolution der raumzeitlichen Wirklichkeit.


Märchenhafte Parsiflagen auf Besondersheits- und Größenfantasien finden sich beispielsweise im "Tapferen Schneiderlein" oder in des "Kaisers neuen Kleidern." (Müller 2011)
Unter dem Ausdruck Schöpfung wird auch das künstlerische oder wissenschaftliche Werk von Menschen verstanden. Als Symbole für diese Kreativität kommt in Gestaltungen des Unbewussten z. B. der [[Phallus]] vor, oder der Biber, der ja aus selber gefällten Bäumen seine kunstvollen Burgen baut.


'''Literatur:''' Standard; Müller, L. (1996): Trotzdem ist die Welt ein Rosengarten; Müller, L. (2001): Lebe dein Bestes
'''Literatur:''' Standard, Obrist, 2006, 2009


'''Autor:''' Müller, Lutz
'''Autor:''' Obrist, Willy

Version vom 22. November 2011, 10:11 Uhr

Keyword: Schöpfung

Links: Anfang, Bewusstsein, Bewusstseinsentwicklung, Chaos, Einheit, Eins, Geburt, Gottesbild, Logos, Meer, Mutter, große Mystos-Prinzip, Paradies, Phallus, Unus Mundus Unbewusstes, Uroborus, Weltbild

Definition: Unter Schöpfung (engl. creation) werden zum einen der von einer Gottheit vollzogene Akt der Erzeugung. Hervorbringung und Erschaffung des Seins, des Universums, der Welt, wie auch das Resultat desselben verstanden. Neben diesem religiösen Schöpfungsbegriff wird der Begriff auch als Bezeichnung für den kreativen Prozess und das (insbes. künstlerische) Werk des Menschen verwendet.

Information: Im Bereich der Religion versteht man unter Schöpfung die Erschaffung der Welt durch ein göttliches Wesen. Schöpfung in diesem Sinn ist ein integrierender Begriff der archaischen Weltsicht: jenes Selbst-und Weltverständnisses, bei dem man neben "dieser" Welt noch eine "jenseitige", unsichtbare Welt annahm: einen Bereich der Wirklichkeit, den man sich von unsichtbaren Wesen (Göttern, Zwischenwesen und "weiterlebenden Toten") bewohnt vorstellte. Von diesen glaubte man, sie können sich dem Menschen offenbaren und auf "diese" Welt einwirken. Göttern schrieb man auch die Fähigkeit zu, "diese" Welt zu erschaffen.

Über die Erschaffung der Welt hatte jede Kultur hatte ihr eigenes "Wissen". Für ihre Mitglieder waren dies wahre, von Göttern offenbarte Berichte (Glaubensgut). Heute sprechen wir von Schöpfungsmythen. Unter den Mythen gehören diese zur Kategorie der naturerklärenden. Im Unterschied zu den religiösen, auf innerer Erfahrung beruhenden, gingen die Schöpfungsmythen - wie alle Natur und Geschichte erklärenden - aus Reflexion hervor. Sie waren zwar Antworten auf die Frage, wie die Welt entstanden sei, weil aber damals die kognitiven Mittel zur empirisch fundierten Beantwortung dieser Frage noch fehlten, ergossen sich jeweils Fantasien in das Wissensvakuum hinein: Gestaltungen des Unbewussten, in denen vorwiegend psychische Sachverhalte in einer Bildersprache veranschaulicht werden. Diese wurden - wie alle Fantasien - bei archaischer Weltsicht in der Projektion perzipiert (wahrgenommen) und deshalb konkretistisch (als physisch wahre Sachverhalte) apperzipiert (aufgefasst).

Interpretation: Ethnologen und Historiker haben eine kaum überschaubare Menge von Schöpfungsmythen zusammengetragen. Betrachtet man diese unter dem Gesichtspunkt, wie darin der Schöpfungs-Akt beschrieben wurde - als Kneten von Lehm oder Schlamm, als Vermessen des Himmels, als Samenerguss, Ausspucken oder Ausatmen oder als bloßes Aussprechen von Worten - kann man daraus eine Facette der Evolution des Bewusstseins während der archaischen Phase rekonstruieren.

Für die Symbolforschung ergiebiger ist die Betrachtung unter dem Gesichtspunkt, was dabei - insbesondere in den frühesten Stadien - "geschaffen wurde". Da findet man die verschiedensten Bilder für das Hervorgehen des Bewusstseins aus dem Unbewussten: d. h. für das In-die-Welt-Treten der Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Ich und Nicht-Ich bzw. zwischen Subjekt und Objekt. Das Unbewusste wird dabei häufig veranschaulicht als Chaos, als Urmeer oder als Urschlange, die sich in den Schwanz beisst (Uroboros), auch als Urelternpaar, das noch in Kohabitation aufeinander liegt. Das ("junge") Bewusstsein wird veranschaulicht als Zwischenraum, der beim Auseinanderrücken der Ureltern entstand, auch als Insel auf dem Ozean, als Urfelsen inmitten des Chaos, oder als Wapitihirsch, der aus dem Gebiet der "heiligen" Winde in "diese Welt" herüberspringt und aus dessen Rücken "alle Dinge dieser Welt" hervorgehen. Ein Bild für das Herauswachsen des Bewusstseins aus dem Unbewussten ist auch das Mutter-Kind-Symbol, wobei das Kind - je nach dem Entwicklungsstand des Bewusstseins, der dargestellt werden soll - ein Säugling, ein Kleinkind oder ein Jüngling bzw. eine Tochter ist.

Durch die Mutation des Bewusstseins, die im Abendland seit Beginn der Neuzeit stattgefunden hat, ist die archaische Weltsicht überwunden worden. In deren Verlauf haben naturwissenschaftliche - auf empirisch fundiertem Wissen über die Natur beruhende - Theorien die naturerklärenden Mythen abgelöst. An die Stelle der Schöpfungsmythen (einschließlich des jüdischen Schöpfungs"berichts") trat dabei das Wissen um die Evolution der raumzeitlichen Wirklichkeit.

Unter dem Ausdruck Schöpfung wird auch das künstlerische oder wissenschaftliche Werk von Menschen verstanden. Als Symbole für diese Kreativität kommt in Gestaltungen des Unbewussten z. B. der Phallus vor, oder der Biber, der ja aus selber gefällten Bäumen seine kunstvollen Burgen baut.

Literatur: Standard, Obrist, 2006, 2009

Autor: Obrist, Willy