Weg

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Keyword: Weg

Links: Wanderer, Wanderung Individuation

Definition: Ein Weg (mhd., ahd. wec, verw. mit bewegen, ursprünglich 'ziehen', 'fahren') ist etwas, was wie ein Streifen im Gelände zum Begehen oder Befahren dient und weniger ausgebaut als eine Straße ist. Die Benutzung eines Weges erleichtert die Erreichbarkeit eines Ortes für Materialien und Personen.

Information: Wege und deren befestigte Variante, die Straße (Straße) sind Kulturleistungen des Menschen. Seit altersher stellen sie Verbindungen her und ermöglichen dadurch menschliche Beziehungen und Kommunikation, das Erreichen eines angestrebten Zieles oder die Erkundung einer unbekannten Gegend. (Reise, Wanderer, Wanderung, Pfad)

Interpretation: Wege sind mit Aufbruch, Bewegung, Dynamik, dem Unterwegs sein und damit einhergehend den unterschiedlichsten Gefühlen verbunden (z. B. Trauer, Freude, Angst). Sie stellten in ihrer unterschiedlichen Beschaffenheit (z. B. steinig, sandig, mit Löchern und Pfützen), in Verbindung mit klimatischen Bedingungen (Hitze, Regen, Kälte, Schnee) und Gefahren eine besondere Herausforderung für den Menschen dar, der über Jahrtausende auf ihnen zu Fuß unterwegs sein musste. Im Unterschied zum zentrischen Raum des Hauses, der einen Mittelpunkt hat, ist der Raum der Straße oder des Weges ein exzentrischer Raum, der den Menschen unwiderstehlich in die Ferne zieht…. Die besondere Funktion des Weges ist die Erschließung des Außenraumes. „Der Wanderer hat keine feste Stätte, die Straße ist seine Heimat“… Fremde, Trennung ist sein Los…“ heißt es im 56. Zeichen des I- Ging.

Der Weg ist aber auch ein uraltes Symbol für den Lebensprozess: einerseits den Lebensweg, andererseits den inneren Entwicklungsprozess, den Individuationsprozess nach C. G. Jung. „Sich auf seinen Weg zu begeben“, oder „seinen eigenen Weg gehen“ meint deshalb auch den Prozess der Selbstverwirklichung anzustreben, dessen Ziel die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit ist. Auf dem Weg durch das Leben und in Annäherung an uns selbst und unsere innere Wirklichkeit sind wir analog zum Beschreiten eines gelegentlich steinigen, gefahrvollen, seltener angenehmen, bequemen Weges Gefahren ausgesetzt, müssen Hindernisse überwinden, erleben Irr- und Umwege, geraten in Sackgassen, in die Nähe von Abgründen, entdecken Neues, empfinden unser Leben als ein Labyrinth der Irrungen und Wirrungen, bis wir unser Ziel und unsere Mitte erreicht haben. Oft müssen auch Entscheidungen gefällt werden (Scheideweg, Weggabelung), denn geradeaus verlaufen die wenigsten Wege.

In vielen religiösen Traditionen ist der Weg Symbol für die Suche nach dem Göttlichen und dem Selbst. Etliche Religionen verstehen sich als Reinigungsweg oder Erleuchtungsweg und versuchen ihren Anhängern den rechten Weg zum Heil zu weisen: Buddha lehrte den „achtgliedrigen heiligen Pfad“, im alten Indien war magra der Heilsweg und im Sufismus wird der Zugang zur mystischen Schau als „Weg“ (tariqa) bezeichnet. Die Ägypter erblickten im Lauf der Sonne das Vorbild für ihren eigenen Lebensweg; in Altchina hingegen wurde des Menschen Leben in Korrespondenz gesehen zur kosmischen Ordnung, dem Weg von Himmel und Erde, dem Tao. Tao bedeutet Weg, Methode, Prinzip, Naturkraft oder Lebenskraft, (…) Idee der Welt, Ursache aller Erscheinungen, das Rechte, das Gute, die sittliche Weltordnung, vielleicht auch Gott. (Jung GW., Bd. 6, § 358)

Das Wort „Weg“ wird in der Bibel häufig genannt. Der alttestamentliche Gott ist ein mitgehender Gott (Ge. 12, 1-3). Er zeigt den Weg: „Zeige mir, o Herr, deine Wege.“ Ps. 25, 4); „Befiehl dem Herrn deine Wege, er wird's wohl machen.“ Ps. 37, 5). Israel versteht sich als wanderndes und geführtes Volk (z. B. Abrahams Aufbruch, Flucht unter Moses, Landnahme und Exil). Im Neuen Testament wird Jesus zum alleinigen Weg und Heilsweg. Jesus selbst sagte von sich: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14, 6), Im AT entspricht der Weg dem göttlichen Weltplan wie auch dem Leben der Menschen; beide sind verschieden („ eure Wege sind nicht meine Wege.“ Jes 55, 8, fallen schließlich bei einem richtigen Lebenswandel doch zusammen (PS 119). Christlich kann der Lebensweg als mühevoller Weg auf das Ziel der Vollendung in Jesus Christus verstanden werden, als Weg der Umkehr oder auch als fortwährendes Sterben und Auferstehen.

Labyrinthe und Irrgärten zeigten im Mittelalter unter anderem Verfehlung und Läuterung auf dem Lebensweg auf. Königsweg: im Gegensatz zu krummen, abweichenden Wegen ist dies der rechte, gerade Weg, der die Fortentwicklung der unbeirrbaren Seele auf ihr inneres Ziel hin symbolisiert, im Mittelalter z. B. gebräuchliche Bezeichnung für den Weg zu Gott im Mönchtum und Meditation. Träume sind die „Via Regia“ zum Unbewussten.

In Märchen und Mythen spiegelt sich das archetypische Motiv der Suchwanderung im Motiv „des sich auf den Weg machens“ des Helden oder der Heldin wieder, das ähnlich wie der Heldenweg als Symbol der Selbstfindung und Wandlung des Helden / Heldin verstanden werden kann. (Heldenmotiv, Suchwanderung). In zahlreichen Redewendungen hat sich das Motiv des Weges in seiner Polarität (vom Öffnen bis zum Erschweren oder Verschließen des Weges) ebenfalls niedergeschlagen: z. B. „Jemanden den Weg ebnen / den Weg bereiten“ – „Einem etwas in den Weg legen / den Weg abschlagen“; „Jemandem / sich selbst im Wege stehen“; “Etwas aus dem Wege räumen“, „Sich einen Weg offen halten“; den „dornigen“ oder den „steinigen“ Weg gehen müssen, aber auch den „bequemen“ Weg wählen; „Den Weg alles Irdischen gehen“; „Einem nicht über den Weg trauen“. (Vergl. Röhrich, Lutz, S. 1703 ff)

Das Weg-Symbol begegnet uns weiterhin vielfach in moderner Form in der Popkultur und in der Werbung: Der moderne Mensch ist ständig unterwegs, rastlos, „auto- mobil“. Er bewegt sich nicht mehr auf Wegen und Pfaden, sondern begradigt, asphaltiert und beschleunigt sie, da er sein Ziel auf schnellstem Weg ohne Zeitverlust erreichen will. Es entstehen Straßen, Autobahnen, Daten-Autobahnen, Roadmovies, Internetnamen (Suchmaschinen: „Highway 61“) und Popmusik-Titel („Highway to Hell“) und geben davon ein beredtes Zeugnis. Die Werbekampagne „Wir machen den Weg frei“ (der Volks- und Raiffeisenbanken) wird mit immer neuen Entwürfen seit 1988 durchgeführt: Der weite Horizont zeigt den unendlichen Handlungsraum der stets sportlich aktiven Menschen, die sich offensichtlich voller Elan auf ihrem Weg in Richtung ihres angestrebten Zieles befinden. Bilder von (hindernisfreien) Wegen (zu Wasser, Land und vom Pferderücken aus) erzeugen beim Betrachter eine Tiefenwirkung und suggerieren, dass mit Hilfe dieser Bank Hindernisse überwunden werden können und auch scheinbar aussichtslose Ziele mühelos zu erreichen sind.

Das Motiv des Weges symbolisiert ähnlich wie die Reise und die Wanderung die Bewältigung des Lebensweges, den Umgang mit den damit verbundenen Tiefen und Höhen auch im Sinne von Lebensprüfungen und Initiation. Da Erfahrungen der progressiven Vorwärtsbewegung im Unterwegssein und Erfahrungen der seelischen Wandlung sich sehr ähnlich sind, kann das Wegmotiv (Heldenmythos) auch als symbolische Darstellung des seelischen Entwicklungs- und Differenzierungsprozesses, des Individuationsprozesses verstanden werden, mit dem Ziel der Annäherung an das spirituelle Zentrum des Menschen, der Ganzheit und Vollständigkeit der Persönlichkeit, dem Selbst.

Literatur: Standard

Autor: Kuptz-Klimpel, Annette