Henker

Aus symbolonline.eu
Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr von Anlumue (Diskussion | Beiträge) (1 Version importiert)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die druckbare Version wird nicht mehr unterstützt und kann Darstellungsfehler aufweisen. Bitte aktualisiere deine Browser-Lesezeichen und verwende stattdessen die Standard-Druckfunktion des Browsers.

Keyword: Henker

Links: Arzt, Gehängter, Tod

Definition: Henker wird die eine Hinrichtung vollziehende Person genannt.

Information: Die Identität des Henkers bleibt oft anonym (Mütze in früheren Jahrhunderten und heutigen Internet-Auftritten, Verteilung des Henker- seins auf mehrere Personen in ‚zivilisierten’ Szenarien, vielfältige Folterer als Assistenzberufe des Henkers). Eine Ausnahme bildet der als Meister Franz namentlich bekannten frühneuzeitliche Nürnberger Scharfrichter Schmidt. In seinem Tagebuch (Schmidt, 1980) ist nicht nur detailliert nachzulesen, wie die Pönitenten nach allen Regeln der Kunst und in genau dosierter Grausamkeit zu Tode gebracht wurden. Den autobiografischen Aufzeichnungen ist auch zu entnehmen, dass die Henker zwar am Rande der Gesellschaft standen und erst wieder „ehrbar“ wurden, nachdem sie sich nach einem an Tötungen reichem Leben zur Ruhe gesetzt hatten.

Interpretation: Henker waren bis in die Neuzeit als Apotheker oder Ärzte tätig und führten bisweilen die Asklepiosschlange im Wappen. Sie waren die ersten, die Folteropfer untersuchen und behandeln mussten, Zerstörer und Heiler in einer Person. Vom Richtplatz gingen heilsame und schädliche Kräfte aus, »at the one hand a propitious, specially medically healing effect, on the other hand a dangerous and sinister power« (Ström 1942, zit. in Herzog 1995). Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war die Parallelmedizin der Henker eine ernsthafte Konkurrenz der Ärzte; so machte z. B. Friedrich I. von Preußen den Scharfrichter Coblenz zu seinem Hof- und Leib›medicus‹. Das Schafott zog die Schaulustigen und solche an, die etwas vom Blut des Gehenkten auffangen oder das ›Schelmenfleisch‹ zu volkstümlichen Heilmitteln verarbeiten wollten (Frick, 1996; Herzog, 1995). Der Henker als archetypischer Schattenbruder des Arztes gehört keineswegs nur der Medizingeschichte an. Eine schrecklich-traurige Berühmtheit erlangten in den Nazi-Vernichtungslagern „forschende“ Ärzte. In der Gegenwart werden Ärzte nicht nur Opfer von Menschenrechtsverletzungen, sondern auch Erfüllungsgehilfen einer Verratenen Medizin (British Medical Association 1992).

Die historische und zeitgenössische Hybris der Henker kann nicht darüber hinweg täuschen, dass der in der Hinrichtung unterlegene und geschändete Gehenkte ein umgekehrtes Symbol der Erhöhung darstellt („wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden“, Johannes 3, 14). Während bewusstseinspsychologisch der Henker die Oberhand behält und „ein Gehenkter ein von Gott Verfluchter ist“ (Deuteronomium 21, 23), deutet seine Erniedrigung unbewusst auf die Symbole des Tänzers und der Himmelfahrt hin. In seinen autobiografischen Aufzeichnungen aus dem Konzentrationslager fragt Elie Wiesel anlässlich eines vor aller Augen hingerichteten Kindes: „Wo ist Gott ?“.

Eine leise Stimme antwortet: „Da hängt er!“.

Literatur: Standard

Frick E.: (1996): Durch Verwundung heilen. Zur Psychoanalyse des Heilungsarchetyps., Göttingen, Zürich: Vandenhoeck & Ruprecht

Herzog M.: (1995): Scharfrichterliche Medizin. Zu den Beziehungen zwischen Henker und Arzt, Schafott und Medizin. Medizinhistorisches Journal 29, 309-332.

Schmidt F.: (1980): Das Tagebuch des Meister Franz, Scharfrichter zu Nürnberg. Kommentiert von Jürgen C. Jacobs. Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1801. Dortmund: Harenberg

Autor: Frick, Eckhard