Einhorn und Esoterik: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Keyword:''' Einhorn
'''Keyword:''' Esoterik


'''Links:''' [[Alchemie]], [[Drache]], [[Eins]], [[Jungfrau]], [[Nashorn]], [[Pferd]]
'''Links:''' [[Erleuchtung]], [[Innen]], [[Initiation]], [[Introversion]], [[Magie]], [[Mystos-Prinzip]], [[Mystik]]


'''Definition:''' Das Einhorn ist ein Fabelwesen. Es hat Pferdegestalt, ist weiß, trägt ein gerades Horn auf der Mitte der Stirn.
'''Definition:''' Esoterik, von griech eso, innen (im Gegensatz zu exo, außen) bezieht sich in erster Linie auf die sinntragenden Innenbereiche geistig-religiöser Zusammenhänge, während sich die dazu gehörigen Institutionen und Organisationen mit ihren Aktivitäten nach außen wenden. Gemeint ist sodann das innen Erfahrene, das man nicht beliebig mitteilen kann, weil es im Vollsinn des Wortes nur denjenigen zugänglich ist, die die entsprechenden Erlebnisse ([[Initiation]]) und Erkenntnisprozesse durchlaufen haben und insofern über die jeweilige Eigenerfahrung verfügen, während Außenstehende erst für die zugrundeliegende Idee gewonnen werden oder in einer adäquaten Form dafür vorbereitet werden müssen.


'''Information:''' Das Einhorn ist neben dem Drachen die Inkarnation des Fabeltiers. Es erscheint in vielen Kulturen und sehr unterschiedlichen Varianten und ist von einem Mythos umgeben, den kaum ein anderes Tier auf sich ziehen kann. Es gibt zahlreiche mythologische Bezüge des Einhorns in allen Epochen und vielen Kulturen.
'''Information:''' Schon die antike Philosophie unterschied das, was (esoterisch) den unmittelbaren Schülern eines Weisheitslehrers anvertraut werden konnte, gegenüber dem, was man (exoterisch) an die Öffentlichkeit herantrug. Nicht selten ist das Durchlaufen eines inneren Reifungsprozesses erforderlich, den die Tradition seit den antiken Mysterien und Einweihungsstätten ähnlich dem mystischen Weg als Stufen der Reinigung, der [[Erleuchtung]] und der Vollendung bzw. Vereinigung ([[Coniunctio]]) kannte.


Früheste Darstellungen finden sich auf babylonisch-assyrischen Ziegeln. Es wird vermutet, dass sie von dort nach Indien und China gelangten, wo es zu den vier heiligen Tieren zählte, als Glücksbringer und gutes Vorzeichen galt und als Symbol königlicher Tugenden. Einhorndarstellungen wurden bei Hochzeiten verschenkt und schmückten dann das Zimmer der Frau, was einen Bezug Wandlungsgeschehen (s. unten) vermuten lässt. Es heißt, dass es bei der Geburt von guten Kaisern oder großen Weisen erscheine.
In der Geschichte des Christentums hat es von Anfang an eine eigenständige Esoterik gegeben. Nur Getauften, die als Erwachsene einen speziellen Vorbereitungskurs (Katechumenat) absolviert hatten, machte man beispielsweise mit dem zentralen Mysterium des christlichen Glaubens bekannt. Nur sie durften die Eucharistie (Hl. Abendmahl; Messe) empfangen. Das "esoterische Christentum" hat im Laufe der Kirchengeschichte vielfältige Formen entwickelt, auch wenn die Empfängerinnen und Empfänger innerer Erfahrung nicht ausdrücklich als "Esoteriker" bezeichnet wurden, etwa in der abendländischen Mystik, in der Theosophie, im Zusammenhang von spirituellen oder meditativen Schulungswegen, in kirchlichen Ordensgemeinschaften oder geheimen (initiatischen) bzw. geschlossenen Gesellschaften (z. B. Freimaurer).


Der chinesische Name des Einhorns "Ki lin" bedeutet Yin-Yang und weist auf seine hermaphroditisch-gegensätzlichen Dimensionen. In der mittelalterlichen Vorstellung der Alchemie ist dem Einhorn das [[Quecksilber]] und damit dem [[Merkur]] zugeordnet und es erscheint als Verkörperung des [[Hermaphrodit]]s, in dem Männliches und Weibliches vereinigt sind.
In der Gegenwart ist es nicht unproblematisch, auf die esoterische Dimension der Wirklichkeit hinzuweisen, weil sich seit Ende des 20. Jahrhunderts eine Welle der Pseudo-Esoterik in der Sachliteratur und in der allgemeinen Publizistik ausgebreitet hat. Es wurde der irritierende Eindruck erweckt, Esoterik sei schlechthin all das, was in den okkultistischen Formenkreis hineingehört, selbst mit Einschluss parapsychologischer Phänomene, Äußerungsformen des Orakelwesens samt der Vielfalt obskurer Praktiken.


Oft wird das Einhorn im Gegenüber mit einem [[Löwe]]n gezeigt, wodurch sein Mondcharakter im Gegensatz zum Sonnencharakter des Löwen herausgehoben wird. Beide sind auch Symbole des Mecurius und gleichzeitig Christus-Allegorien und charakterisieren die erwähnte Polarität.
'''Interpretation:''' Meist wendet sich die modisch bedingte Pseudo-Esoterik an das Sensationsbedürfnis breiter Bevölkerungsschichten. Damit wird einem Missverständnis Vorschub geleistet, denn die echte, dem ursprünglichen Wortsinn entsprechende Esoterik hebt sich deutlich von allen Formen einer vordergründig bleibenden (exoterischen) Veräußerlichung ab.


Im Indischen Raum findet sich im «Rämäjana» und im «Mahäbhärata» die Geschichte vom Einsiedler "Gazellenhorn". Um Fruchtbarkeit zu ermöglichen, muss er mit der Königstochter vereinigt werden, worauf dann Regen fällt.
Verständlich und durchwegs legitim ist indes das Verlangen nach inneren Erfahrungsmöglichkeiten, die geeignet sind, ein Korrektiv zu einer einseitig-extravertierten Einstellung zu bilden, nachdem der auf dem Weg äußerer Weltbewältigung verursachte "Seelenverlust" in der Gesellschaft zu einem allgemein zu beobachtenden geistig-seelischen Vakuum geführt hat."Der Seelenverlust entspricht dem Losreißen eines Teils des eigenen Wesens, dem Verschwinden und der Emanzipation eines Komplexes, der dadurch zum tyrannischen Usurpator des Bewusstseins wird, das Ganze unterdrückt, ihn aus seiner Bahn wirft und zu Handlungen zwingt, deren blinde Einseitigkeit die Selbstzerstörung zur unvermeidlichen Gefolgschaft hat" (C. G. Jung: Psychologische Typen). Die ernsthafte Beschäftigung mit Esoterik entspräche demnach dem Bedürfnis nach Ganzwerdung.


Im Christentum war das Einhorn früh Sinnbild der gewaltigen Kraft des [[Christus]], später Bild der Keuschheit und der [[Jungfrau]] und [[Gottesmutter]] [[Maria]] zugeordnet. Hintergrund dieser Symbolik war die Vorstellung, das Einhorn könne von einer Jungfrau gezähmt werden und verliere seine Wildheit, wenn es seinen Kopf in deren Schoß lege.
'''Literatur:''' Standard; Wehr, 1995


Aus dem Jungfrauen-Wandlungsmythos leitet sich auch eine andere Fruckbarkeitssymbolik ab, die mit dem phallischen Horn in Verbindung steht und Unsterblichkeit verleiht. So galt auch die Kunde, dass das gemahlene Horn heilsame und aphrodisierende Wirkung habe. Dies spiegelt sich in der Tatsache, dass es noch heute viele Einhorn-Apotheken gibt aber auch im immer noch florierenden Handel mit Hornmehl des heute lebenden Nashorns.
'''Autor:''' Wehr, Gerhard
 
'''Interpretation:''' Vermutlich geht die Vorstellung des Einhorns auf das ursprünglich weit verbreitete Urnashorn zurück, das noch im kollektiven Unbewussten wirkt. Ihm wird elementare Kraft, Vitalität, Reinheit und Lauterkeit zugeschrieben, aber auch der Logos als geistige Kraft. Es ist somit ein Symbol, das polare Gegensätze in sich vereint. Es enthalte sowohl die Macht des Göttlichen als auch des Bösen, insbesondere aber die dämonischen Naturkräfte, die wilde innere Natur.
 
In der Begegnung mit diesem Symboltier wird der Mensch zu einem Wandlungsprozess herausgefordert, der ihn mit seiner Triebnatur konfrontiert und zugleich zu einem geistigen Weg auffordert. Beide Dimensionen sind im Symbol des Einhorns als dynamischer Gegensatz repräsentiert.
 
Eindrücklich beschreibt C. G. Jung diesen Prozess als Wandlung des alttestamentlichen Gottes in den Christus der Liebe, welcher oft mit der Zähmung des Einhorns symbolisiert werde, die sich nur im Schoß einer reinen Jungfrau vollziehen könne. Dieser Bezug der "wilde (n), ungebändigte (n), männliche (n), penetrierende (n) Kraft des spiritus mercurialis" (Jung, GW 12, § 519) zur Jungfrauengeburt wird auch in den Teppichen des Musée Cluny "La Dame et la Licorne" dargestellt und war für Rilke Anlass zu tieferer Betrachtung über die Beziehung von Mann und Frau und die weibliche Individuation.
 
Das Einhorn ist im Kern nach Jung als Wandlungssubstanz, als mercuriale Kraft zu verstehen, "welche ihrerseits wieder Vollendung und Reifung der unvollkommenen oder unreifen Körper bringt" (Jung, GW 12, § 529). In dieser Charakteristik fand es Eingang in das alte Testament, das eine enge Beziehung zum Kreuz herstellte.
 
In der neutestamentlich-christlichen Tradition wird aus der oben beschriebenen Jungfrauenzähmung die Vorstellung der Befruchtung der Jungfrau Maria durch den heiligen Geist, wodurch aus dem mythischen Tier sich die Gestalt Christi entfaltet in seiner Beziehung zur reinen Jungfrau Maria. So wird das Einhorn zum Symbol christlicher Liebe. Das aus der Stirn wachsende Horn wird hier auch als spirtuelles Befruchtungsorgan gesehen. Die rein triebhafte Sexualität wird damit transzendiert. Jung weist auch darauf hin, dass "das Symbol des Unicorn als «allegoria Christi» und des Heiligen Geistes dem ganzen Mittelalter bekannt war" und damit auch "die Verwandtschaft, ja sogar die Identität von Mercurius und Christus". (Jung, GW 12, § 519)
 
'''Literatur:''' Standard
 
'''Autor:''' Knoll, Dieter

Version vom 29. November 2011, 11:24 Uhr

Keyword: Esoterik

Links: Erleuchtung, Innen, Initiation, Introversion, Magie, Mystos-Prinzip, Mystik

Definition: Esoterik, von griech eso, innen (im Gegensatz zu exo, außen) bezieht sich in erster Linie auf die sinntragenden Innenbereiche geistig-religiöser Zusammenhänge, während sich die dazu gehörigen Institutionen und Organisationen mit ihren Aktivitäten nach außen wenden. Gemeint ist sodann das innen Erfahrene, das man nicht beliebig mitteilen kann, weil es im Vollsinn des Wortes nur denjenigen zugänglich ist, die die entsprechenden Erlebnisse (Initiation) und Erkenntnisprozesse durchlaufen haben und insofern über die jeweilige Eigenerfahrung verfügen, während Außenstehende erst für die zugrundeliegende Idee gewonnen werden oder in einer adäquaten Form dafür vorbereitet werden müssen.

Information: Schon die antike Philosophie unterschied das, was (esoterisch) den unmittelbaren Schülern eines Weisheitslehrers anvertraut werden konnte, gegenüber dem, was man (exoterisch) an die Öffentlichkeit herantrug. Nicht selten ist das Durchlaufen eines inneren Reifungsprozesses erforderlich, den die Tradition seit den antiken Mysterien und Einweihungsstätten ähnlich dem mystischen Weg als Stufen der Reinigung, der Erleuchtung und der Vollendung bzw. Vereinigung (Coniunctio) kannte.

In der Geschichte des Christentums hat es von Anfang an eine eigenständige Esoterik gegeben. Nur Getauften, die als Erwachsene einen speziellen Vorbereitungskurs (Katechumenat) absolviert hatten, machte man beispielsweise mit dem zentralen Mysterium des christlichen Glaubens bekannt. Nur sie durften die Eucharistie (Hl. Abendmahl; Messe) empfangen. Das "esoterische Christentum" hat im Laufe der Kirchengeschichte vielfältige Formen entwickelt, auch wenn die Empfängerinnen und Empfänger innerer Erfahrung nicht ausdrücklich als "Esoteriker" bezeichnet wurden, etwa in der abendländischen Mystik, in der Theosophie, im Zusammenhang von spirituellen oder meditativen Schulungswegen, in kirchlichen Ordensgemeinschaften oder geheimen (initiatischen) bzw. geschlossenen Gesellschaften (z. B. Freimaurer).

In der Gegenwart ist es nicht unproblematisch, auf die esoterische Dimension der Wirklichkeit hinzuweisen, weil sich seit Ende des 20. Jahrhunderts eine Welle der Pseudo-Esoterik in der Sachliteratur und in der allgemeinen Publizistik ausgebreitet hat. Es wurde der irritierende Eindruck erweckt, Esoterik sei schlechthin all das, was in den okkultistischen Formenkreis hineingehört, selbst mit Einschluss parapsychologischer Phänomene, Äußerungsformen des Orakelwesens samt der Vielfalt obskurer Praktiken.

Interpretation: Meist wendet sich die modisch bedingte Pseudo-Esoterik an das Sensationsbedürfnis breiter Bevölkerungsschichten. Damit wird einem Missverständnis Vorschub geleistet, denn die echte, dem ursprünglichen Wortsinn entsprechende Esoterik hebt sich deutlich von allen Formen einer vordergründig bleibenden (exoterischen) Veräußerlichung ab.

Verständlich und durchwegs legitim ist indes das Verlangen nach inneren Erfahrungsmöglichkeiten, die geeignet sind, ein Korrektiv zu einer einseitig-extravertierten Einstellung zu bilden, nachdem der auf dem Weg äußerer Weltbewältigung verursachte "Seelenverlust" in der Gesellschaft zu einem allgemein zu beobachtenden geistig-seelischen Vakuum geführt hat."Der Seelenverlust entspricht dem Losreißen eines Teils des eigenen Wesens, dem Verschwinden und der Emanzipation eines Komplexes, der dadurch zum tyrannischen Usurpator des Bewusstseins wird, das Ganze unterdrückt, ihn aus seiner Bahn wirft und zu Handlungen zwingt, deren blinde Einseitigkeit die Selbstzerstörung zur unvermeidlichen Gefolgschaft hat" (C. G. Jung: Psychologische Typen). Die ernsthafte Beschäftigung mit Esoterik entspräche demnach dem Bedürfnis nach Ganzwerdung.

Literatur: Standard; Wehr, 1995

Autor: Wehr, Gerhard