Uroboros

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Keyword: Uroboros

Links: Alchemie, Chaos, Drache, Einheit, Einheitswirklichkeit, Gottesbild, Hermaphrodit, Kreis, Kugel, Paradies, Rad, Schlange, Spirale, Unbewusstes, Unus mundus Ursprung

Definition: Der Uroboros (ägypt.: Schwanzfresser, griech.: oura = Schweif, boros = verschlingend) ist ein universelles Motiv einer kreisförmig gewundenen Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt.

Information: Keine

Interpretation: Symbolisch wird durch den Uroboros der Primärzustand, die Ursprungseinheit (sowohl ontogenetisch als auch phylogenetisch) vor der Unterscheidung und Trennung der Gegensätze beschrieben: einerseits Dunkelheit und Selbstzerstörung, andererseits Fruchtbarkeit und Schöpferisches. In mythologischen Vorstellungen der Völker ist er Symbol für die Urfrühe, die Urvollkommenheit des Anfangs, des Urzustands, in dem es weder Anfang noch Ende gibt, somit der Unendlichkeit und äußert sich in symbolischen Bildern über das Paradies, das Allumfassende, den Schoß, die Ureltern, das Gegensatzenthaltende und das Hermaphroditische (Hermaphrodit).

Der Urzustand wird sowohl symbolisiert durch in sich ruhendes Rundes wie Kreis, Kugel, Gefäß, Höhle, dem in sich Autarken und Geschlossenen, dem Rotundum (das Runde der Alchemie) und dem Ei; weiter durch Gegensatz-Enthaltendes wie dem chinesischen Taiji, das als Rundes, Schwarz und Weiß, Tag und Nacht, Himmel und Erde, Männliches und Weibliches in sich enthält und dem Hermaphroditen, als auch dem in sich kreisend Lebendigen: eben dem Urboros, der Kreisschlange, dem Urdrachen des Anfangs, dem Archetyp des „All ist Eins“, einem alten ägyptischen Symbol. Von ihm heißt es: "Er tötet sich selbst, heiratet sich selbst und befruchtet sich selbst. Er ist Mann und Frau, zeugend und empfangend, verschlingend und gebärend, aktiv und passiv, oben und unten zugleich." (Neumann, 1949, S. 24).

In Babylon wird die mann-weibliche Einheit des Uroboros von Tiamat und Apsu gebildet, als der Kneph der Antike ist er die Urschlange, die älteste Göttergestalt der Vorwelt.

Der Uroboros findet sich in der Offenbarung des Johannes, in der Gnosis, in den Sandmalereien der Navajo-Indianer und in alchemistischen Texten. Das Meer ist in der antiken Mythologie eine große Schlange oder Drache, die sich in den Schwanz beißt, ein Bild für die verschlingende Dunkelheit der Natur, des Wassers und, psychologisch, des Unbewussten und seine animalisch-dämonischen Mächte. Der Uroboros tritt aber auch auf als mütterlicher Urschoß (Uterus), mit dem Paradiessehnsüchte (Paradies) verbunden werden und der Vorstellung des Urelternpaares.

In den Schöpfungsmythen vieler Völker gehen aus der Vereinigung der Ureltern Himmel und Erde und alles weitere Leben hervor, die raum- und zeitlos aufeinander in ständiger Vereinigung liegen: Die ägyptische Himmelsgöttin Nut, die das Himmelsgewölbe darstellt, wölbt sich über ihren Mann Nun, die Erde, der unter ihr liegt. In der Kabbala ist es der Begriff des „ejn Ssof“, das die unendliche Fülle bedeutet und das Nichts, die Einheit und Ganzheit des verborgenen Göttlichen. Aber nicht nur die Gegensätze sind im Uroboros enthalten. Auch das Schöpferische des Neubeginns, das aus sich rollende Rad, die erste Bewegung und die Spirale, die im Kreis aufsteigende Bewegung und Entwicklung, symbolisiert sich im Uroboros. Hierbei spielen auch mythologische Bilder der Urzeugung, des Aus-sich-Heraustretens Gottes und das Bild des (sich selber) befruchtenden Urgottes eine Rolle, die sich z. B. im Motiv des Sonnenphallus abbilden.

Der Uroboros ist auch ein Symbol für die Ewigkeit, z. B. auf altägyptischen Särgen abgebildet, in der Gnosis und in esoterischen Bünden (Freimaurer, Theosophen). Als Uroboros erscheint der ringförmige Ozean im Mythos westafrikan. Stämme und bei den Germanen (die Midgardschlange als jörmungard = Erdumgürterin). Bei Horapollo (selecta hieroglyphica, 1597) wird der die Gegensätze (Sonne und Mond) vereinigende Uroboros als ringförmig gebogener Vogel mit dem Unterkörper einer Schlange dargestellt. In buddhistischer hinduistischer Tradition entspricht ihm in etwa das Rad des Samsara. In der Alchemie ist der Uroboros Symbol für die sich in einem oft wiederholten Kreisprozess (Destillation - Kondensation-Destillation usw.) wandelnde Materie. In der naturphilosophischen spätantiken Anschauung stellte der Kopf des Uroboros geistige Aspekte dar, während der Schwanz den materiellen Aspekt darstellte. Innerhalb der christlichen Mythologie kann der Uroboros beispielsweise als Anfangssymbol in der Form des Paradieses auftauchen und nimmt am Ende, beim reifen Menschen, die des himmlischen Jerusalem an, als Symbol der wiedergewonnenen Ganzheit und Vollständigkeit.

Alle diese Symbole, mit denen die Menschheit mythologisch den Anfang zu erfassen versuchte, sind heute noch ebenso lebendig wie zur Urzeit. Sie kommen nicht nur in Kunst und Religion zum Ausdruck, sondern auch in Träumen, Fantasien und symbolischen Darstellungen im therapeutischen Prozess. Bekannt ist der berühmte Traum des Chemikers A. Kekule von Stradanitz (1829- 1896)vom U., der ihm den Schlüssel zum Verständnis der Benzolchemie (Benzolring) gab.

Das Vollkommene, sich selbst Genügende und Gegensatzenthaltende bildet sich auch in Symbolen des Selbst ab. Das Uroboros-Symbol, das im Anfang, vor der Ich-Entwicklung steht, kehrt in der 2. Lebenshälfte im Mandala in differenzierter und strukturierter Symbolik wieder, wenn das Ich sich im Individuationsprozess wieder zum Selbst hin entwickelt.

In Märchen kann die im Unbewussten vorhandene Gegensatzproblematik in (Tier-)Kämpfen zum Ausdruck kommen: meist ist einer der Kampfpartner oder Tiere domestizierter und steht dem Menschen näher (entsprechend dem Kopf der sich in den Schwanz beißenden Schlange) wie z. B. in „Der Königssohn, der sich vor nichts fürchtet" (KHM 121) ein Riese und ein Löwe Widersacher sind. Im norwegischen Märchen „Kari Holzbock“ hilft ein blauer Stier der Heldin im Kampf gegen mehrköpfige Trolle.

Von C. G. Jung und E. Neumann (insbesondere in seiner Ursprungsgeschichte des Bewusstseins, 1949) wurde der Uroboros als primäre Metapher für das Frühstadium in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes verwandt, für den Frühzustand der Psyche, in dem noch kein Ich–Bewusstsein vorhanden ist bzw. ein keimhaftes Ich mit dem Unbewussten noch völlig verschmolzen und ungetrennt ist. Die Sehnsucht in diesen Zustand, aus dem das Ich entstanden ist, zurückzukehren, wird von Neumann uroborischer Inzest genannt, in dem das noch wenig differenzierte Ich wieder in einen Zustand der Unbewusstheit zurückkehrt, eins wird mit dem Unbewussten. Viele Formen der Sucht und der Sehnsucht meinen diese Rückkehr und uroborische Ich-Auflösung.

Erich Neumann verwendet auch den Begriff des mütterlichen und väterlichen Uroborus, weil der Uroborus nicht nur das Große Runde des Anfangs ist, sondern auch die Ureltern, Ur-Mutter und Ur-Vater uroborisch vereint enthält. So ist der Uroborus aktiv und passiv, nährend und zeugend, aufnehmend wie auch ausscheidend und gebärend. Mit dem Begriff des Nahrungs-Uroborus betont Neumann den Kreislauf von Aufnehmen, Verdauen und Ausscheiden (Analität, Essen, Nahrung, Kot) von Nahrung, wobei die Nahrung auch seelische und geistige Inhalte umfasst, es also auch um die symbolische und spirituelle Dimension des Erlebens geht.

In der Beschreibung der Entwicklung des weiblichen Bewusstseins verwendet Neumann auch den Begriff des patriarchalen Uroborus, der als männliches und fremdes Prinzip beunruhigend und faszinierend in die weibliche Psyche einbricht (Todeshochzeit).

Unter dem doppelten Uroborus - zwei Schlangen oder Drachen, die sich gegenseitig in den Schwanz beißen und so einen Kreis bilden - versteht Neumann die erste Differenzierung des Uroborus in einen unteren und einen oberen Teil. Die zwei Schlangen symbolisieren die Ur-Eltern, den mütterlichen und den väterlichen Teil des Uroborus Aus diesem Ur-Paar und Ur-Gegensatz (Polarität) des Uroborus entstehen in der weiteren Bewusstseinsentwicklung die Ur-Archetypen der Erde und des Himmels (Bios-Prinzip, Logos-Prinzip), der Mutter (Mutter, große) und des großen Vaters (Vater). Der Uroboros kann somit sowohl den Anfangs- als auch den Endzustand, die Rückkehr und das Wiedereintauchen des Individuellen im universalen Seinsstrom der menschlichen Entwicklung ausdrücken. Die Kreisschlange ist also ein Symbol des ewig in sich kreisenden, zyklisch sich wandelnden Lebens.

Literatur: Standard

Autor: Kuptz-Klimpel, Annette