Hirte

Aus symbolonline.eu
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Keyword: Hirte

Links: Christus, Lamm, Opfer, Pan, Schaf, Selbst, Widder

Definition: Hirte wird eine Person genannt die eine Herde Nutztiere bewacht, pflegt und zu geeigneten Nahrungsplätzen führt.

Information: Pan (lat. Faunus), als Sohn des Hermes oder auch des Zeus genannt, der griechische Hirten-, Natur- und Jagdgott, wurde als ein menschlich-tierisches Mischwesen dargestellt. Er hatte einen menschlichen Oberkörper mit dem Unterkörper eines Ziegenbocks. Er liebte die Musik, den Tanz und die ausgelassene Fröhlichkeit, war von Nymphen und Satyrn umgeben und für seine Wollust ebenso bekannt wie für seinen Zorn, mit dem er Mensch und Tier einen „panischen Schrecken“ einjagen konnte.

Schäfer- und Hirtenlyrik der Antike und bis in die Romantik stellte das Hirtenleben meist idealisierend und verklärend dar: freie, unbekümmert-sorgenfrei in der Natur lebende Menschen ziehen mit ihrer Panflöte umher, tanzen Schäfertänze, verführen junge Mädchen. Teilweise wird Pan auch dem Gefolge des Dionysos zugerechnet und begleitet diesen und sein Gefolge auf den ekstatischen Zügen und Orgien. Im christlichen Mittelalter wird Pan zur Teufelsgestalt umgedeutet.

Im Alten Testament ist Abel, der von Kain erschlagene zweite Sohn von Adam und Eva, ein Hirte. Hirten werden, da sie Nomaden, d. h. „mit Herden Umherziehende“ sind, von den sesshaften Ackerbauern als Bedrohung gesehen. Sie haben keine harte Feldarbeit zu leisten und brechen als Fremde von außen in bestehende Gemeinschaften ein.

Abraham, Isaak, Jakob und seine Söhne waren Nomaden und Hirten im Sinne von Führern einer Herde, auch der Herde ihres Volkes, ihrer Schutzbefohlenen. Sie waren allesamt vertraut mit der Natur und den kosmischen Erscheinungen, verstanden sich als von Gott Geführte und Beauftragte, gehorchten dem göttlichen Willen. Abraham war bereit, seinen Sohn Isaak für Gott zu opfern – Vorgriff auf das Gott -/Vaterbild des Neuen Testaments. Abraham, ein Anführer und Held einerseits und ein gehorsamer, vom Gott -Vater abhängiger Vater -Sohn zugleich.

Der spätere König David, in Bethlehem geborener Hirtenjunge, Harfenspieler und junger Held, brachte mit seiner Steinschleuder, einer einfachen Hirtenwaffe, den Vorkämpfer der Philister, den Riesen Goliath, zu Fall. David steht historisch an der Stelle, an der sich die Stämme Israels endgültig für das Königtum als Herrschaftsform entschieden. Bereits als Kind war er, der jüngste Sohn in der Familie, im Auftrag Gottes zum künftigen König Israels gesalbt worden.

Die Hirten auf dem Felde, die ersten Menschen, denen die Geburt Jesu Christi verkündet wird, sind wohl ohne Dach über dem Kopf – so wie auch Maria und Josef. Sie sind der Natur und den Tieren nah, nachts auf dem Felde, unter dem Sternenzelt, vielleicht deshalb empfänglich für besondere Erfahrung und Erleuchtung. Möglicherweise ist das ein früher Hinweis darauf, dass Jesus sich auch denen zuwendet, die ihre Nächte nicht abgesichert in ihren eigenen Häusern verbringen – damit offener sind, eine andere Sicht der Dinge haben, offener für die Dinge, die sich zwischen Himmel und Erde abspielen.

Interpretation: Der Hirte hat seit alters in vielen Kulturen symbolische Bedeutung als schützende fürsorgliche Gestalt. In der frühen Christenheit ist der "gute Hirte" das Bild, das am meisten für Jesus verwendet wurde, erst im Mittelalter wurde das Kreuz zum Hauptsymbol. Den „guten Hirten“ als Gott, Vater, sorgenden Hüter, Wächter und Beschützer, Führer, Begleiter und Tröster kennen wir aus dem 23. Psalm: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nicht mangeln“. Diese positive Vater - und Hirtenvorstellung wird bis heute in der Organisation der Kirche verwendet: der Begriff Pastor ist das lateinische Wort für Hirte.

In Jesajas Vorhersagungen zum Messias wird das Bild des guten Hirten für diesen verwendet und im Johannes-Evangelium findet sich sowohl das Bild von Jesus als Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt, in Anlehnung an das Opferlamm des Alten Testaments (Joh 1, 29) wie das Gleichnis vom guten Hirten, der sein Leben für die Schafe lässt.

"Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für seine Schafe. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar [...] Und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle; und dieselben muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und wird eine Herde und ein Hirte werden." (Joh 10, 11ff)

Auch im Alten Testament werden die Fürsten des Volkes mit Hirten verglichen, da werden gute und schlechte Hirten unterschieden, je nach dem ihr Blick auf sich selbst oder auf die Tiere der Herde, das heißt auf das Volk gerichtet ist. Petrus hat den ausdrücklichen Auftrag, die Schafe zu weiden (Joh. 21, 15 ff.)

Das Lamm, das Schaf, insbesondere aber der Widder waren das traditionelle Opfertier im kleinasiatischen Raum. Die Gleichsetzung von Christus mit dem Lamm bedeutet den symbolischen Hinweis auf den Opfertod des Gottessohnes. C. G. Jung hat diese Symbolik mehrfach erwähnt und darauf hingewiesen, dass „Hirt-, Widder- und Lammsymbolik koinzidieren mit dem ausgehenden Äon des Aries. [...] Zwei der wichtigsten Mysteriengötter dieser Zeit, Attis und Christus sind gleichermaßen durch Hirten, Widder und Fisch charakterisiert. (C. G. Jung, 1976, GW 9/II, §162)

Christus als Hirte ist damit eingereiht in die archetypische Vorstellung eines überragenden umfassenden vollkommenen oder vollständigen Wesens, das, wie Jung im Einzelnen nachweist, dem Archetyp des Selbst zuzuordnen ist. (C. G. Jung, 1976, GW 11, §229 f.).

Über den Hirten wird ein Aspekt des Selbst deutlich, nämlich die fürsorgliche, fast mütterlich/väterliche und schützende Seite, die in jedem Menschen wirksam ist. Gerade in Seelsorge und Psychotherapie ist es eine entscheidende Hilfe, wenn sich Menschen wieder auf dieses eigene innere Potenzial besinnen und in diesem Sinne ein Selbst -Vertrauen gewinnen und neu verankern können.

Eine allzu starke und unreflektierte Identifizierung des Seelsorgers oder Psychotherapeuten mit dem Hirtenbild hat natürlich auch seine Schattenseiten. Menschen, die um Rat und Betreuung suchen, werden so eher im negativen Sinne zu Schafen und zu kleinen Wesen, die ständig schutzbedürftig sind.

Hirten und Herde können nämlich auch die frühe archaische Ebene unseres Bewusstseins und unseres Verhaltens symbolisieren: Die Tiere sind zwar Einzelwesen, zugleich emotional völlig verbunden mit der sozialen Gruppe, damit in einer Art Einheitsbewusstsein, das noch nicht die Schwere der einsamen, ich-bewussten Entscheidung durchleiden muss. Sie folgen, so sagen wir umgangssprachlich, wie „dumme Schafe “ ihrem Herdentrieb. Der Hirte nimmt stellvertretend seiner Herde die Aufgabe der selbstverantwortlichen Arbeit und Entscheidung ab, so wie es der Vater der mythologischen Bewusstseinsstufe in der patriarchalen Kultur gegenüber seiner Familie tut. Innerpsychisch entspricht dem wohl unser elterlich und gesellschaftlich geprägtes Überich, dem wir diese Verantwortung überlassen. Wir fragen nicht danach, was wir selbst für gut und richtig halten, sondern wir denken und verhalten uns so, wie man es eben allgemein so tut und es „die anderen Leute“ machen und erwarten. Somit vermeiden wir in einen Konflikt mit unseren inneren und äußeren Eltern zu geraten.

Die Sehnsucht nach einem guten Hirten, der uns führt und leitet, könnte also auf eine noch kindliche Verfassung des Ichbewusstseins, der Wichtigkeit des Gefühls von Aufgehobenheit, auf eine noch wenig ausgeprägte Individualität innerhalb der Gruppe, Familie, Sippe oder Herde hindeuten. In späteren Phasen der Bewusstseinsentwicklung und Individuation kann sich aber die Stimme des kollektiven Gewissens und des Überichs zur inneren Stimme des Selbst wandeln. Man folgt dann nicht mehr primär den traditionell und gesellschaftlich vorgeprägten Lebensformen, Moralvorstellungen, sondern seinem „inneren Auftrag“ und seinem eigenen Gewissen.

Andererseits ist die Herde ein Symbol der Fülle der psychischen Möglichkeiten, die jedoch längere Zeit der Fürsorge und der sorgfältigen Beachtung bedürfen. Noch einmal vom Symbol des Tieres ausgehend würde das heißen, dass jeder psychische Inhalt von Anfang an autonom lebensfähig ist und Zielpunkte seiner Entwicklung in sich trägt. Vor diesem Hintergrund ist es keine unpassende Symbolik, die Beziehung eines Therapeuten oder Seelsorgers zu den Menschen, für die er sich mitverantwortlich fühlt, im Symbol des Hirten und seiner Herde abzubilden.

Literatur: Standard

Autor: Seifert, Theodor