Arkandisziplin

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Keyword: Arkandisziplin, Arcanum

Links: Alchemie, Esoterik, Freimaurer, Geheimnis, Initiation, Magie, Mysterium, Rosenkreuzer, Schweigen, Symbole, Tarot

Definition: Arkandisziplin, bezeichnet das letztlich unabdingbare Bestreben, das Arcanum (Geheimnis) und damit das in einen Mysterienzusammenhang Gehörige vor einer leichtfertigen Veräußerlichung zu schützen, um es Uneingeweihten bzw. Unwürdigen oder Unreifen nicht preiszugeben.

Information: Dieser für die verschiedenen Bereiche der Esoterik zentrale Begriff kann hinsichtlich seiner Bedeutung und Anwendung differieren. In der Antike, während der man sich dieses Begriffs noch nicht bediente, spielte der Tatbestand als solcher eine große Rolle. Man bedrohte mit strengen Strafen, wer die Mysterien "austanzte", d. h. wer geheim zu haltende kultische Vollzüge, Gesten oder Lehren profanisierte, indem er sie unrechtmäßigerweise nachahmte oder gar lächerlich zu machen suchte. Auch wenn es erfahrungsgemäß nicht immer gelingt, die Arkandisziplin durchzusetzen, so gilt allgemein: Echte Geheimnisse, die an ein bestimmtes Erlebnis gebunden sind oder die eine entsprechende Erkenntnisarbeit voraussetzen, schützen sich im Grunde selbst. Sie werden nicht allein schon dadurch profanisiert, dass man sich Zugang etwa zu den geheim gehaltenen Wortlauten, Zeichnungen, Formeln udgl. verschafft. Das gilt auch im nichtreligiösen Bereich, etwa auf dem philosophischen oder wissenschaftlichen Feld. Entscheidend ist, dass man die dafür nötige Ausbildung durchläuft, die erforderliche Kompetenz nachweist oder auf angemessene Weise eine Initiation erfährt.

Die auf die esoterische Tradition der Christenheit setzenden, an sie anknüpfenden Theologen der ersten Jahrhunderte, z. B. Origenes oder Klemens von Alexandrien sowie deren Schülerschaft achteten darauf, dass bestimmte Lehren in der Zeit der Christenverfolgung und aus den genannten Gründen der Allgemeinheit vorenthalten wurden. Dazu gehörten die Sakramente (griech. mysteria) sowie die erst nach der (Erwachsenen-)Taufe mitzuteilenden Gebete, etwa das Vaterunser.

Auf dem Titelblatt der Grundschrift der Rosenkreuzer, "Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreuz" (Straßburg 1616), heißt es: "Arcana publicata vilescunt [...] Öffentlich verkündete und entweihte Mysterien verlieren ihren Wert. Deshalb wirf weder Perlen den Schweinen vor noch Rosen dem Esel!" – Unter einem Arcanum verstand Paracelsus eine eigens zubereitete, gewissermaßen "geheime" Arznei, der man eine besondere Wirkkraft beimaß.

Anders die Verwendung des Begriffs im Bereich des Tarot: "Die Großen Arcana des Tarot sind echte Symbole. Sie verbergen und enthüllen gleichzeitig ihren Sinn, je nach der Tiefe der Sammlung des Meditierenden [...] Ein Arcanum ist ein Ferment oder ein Enzym, dessen Anwesenheit das geistige und seelische Leben des Menschen anregt. Und Symbole sind Träger dieser Fermente oder Enzyme, die sie vermitteln, wenn der Empfangende geistig und moralisch dazu fähig ist, d. h. wenn er sich als 'Bettler um Geist' fühlt und nicht an der ernstesten geistigen Krankheit leidet: der Selbstzufriedenheit" (V. Tomberg).

Selbst in den theologischen Entwürfen ("Widerstand und Ergebung") des als kirchlicher Widerstandskämpfer während der Zeit des Dritten Reiches getöteten Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) taucht der Begriff der Arcanum auf, um hinsichtlich seiner aktuellen Bedeutsamkeit unter den völlig veränderten Verhältnissen einer säkularen Gesellschaft von Neuem diskutiert und gegebenenfalls zur Geltung gebracht zu werden.

Interpretation: Im therapeutischen Kontext begründet sich die Verpflichtung zur Geheimhaltung nicht nur in der gesetzlichen Schweigepflicht des Therapeuten, sondern auch im therapeutischen Prozess selber. Es bedarf des "geschützten Raumes" (Temenos), damit sich der Einzelne seinem Unbewussten (Unbewusstes) öffnen kann und die pathogenen wie schöpferischen Aspekte in Ruhe und in dem ihm eigenen Tempo durcharbeiten kann. Druck und Öffentlichkeit würden diesen oft heiklen und mit vielen Scham- und Schuldgefühlen verbundenen Prozess empfindlich stören können. Es soll auch vermieden werden, dass psychische Inhalte, bevor sie richtig verstanden werden konnten, vorschnell abreagiert und ausagiert werden. Emotionale Spannungen und Konflikte müssen in gewissen Ausmaße gehalten und ausgehalten werden, damit sie vom Klienten integriert werden können. Somit entspricht der analytische Prozess in vielerlei Hinsicht einer Einweihung (Initiation) in die Geheimnisse und in den Umgang mit der eigenen Seele.

Literatur: Standard, Wehr (2007)

Autor: Wehr, Gerhard