Flut

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Keyword: Flut

Links: Fluss, Meer, Regen, Regenbogen, Taufe, Wasser

Definition: Die Flut (ahd. fluot, mhd. vluot = fließen) bezeichnet das Steigen des Meeresspiegels beim Gezeitenwechsel.

Information: Bei sprunghaftem Anstieg des Wasserspiegels kann es zu Flutwellen kommen, auch Wellen, die durch Seebeben zustande kommen. (japanisch Tsunami: hohe Welle im Hafen) und katastrophale Folgen haben können, werden als Flutwellen bezeichnet. Regelmäßige Überflutungen können aber auch bei trockenen Landschaften überlebensnotwendig sein, indem sie die Erde immer wieder fruchtbar machen.

Die große Flut der Urzeit, von der viele Mythen berichten, heißt ahd. sinvluot, mhd. sintvluot (von sin: immer, unaufhörlich, überall). Sin wurde seit dem 15. Jh. mit Sünde zusammengebracht. Engl. ist die Flut the Flood (nicht: sin-flood!). Der biblische Mythos von der Flut hat mit der Moral zu tun. Gott ist ob der Verderbtheit seiner Geschöpfe so erzürnt, dass es ihn reut, sie geschaffen zu haben: "Ich will die Menschen vom Erdboden vertilgen" (1. Mose 6, 7)!

Er öffnet die Schleusen des Himmels und ersäuft seine Schöpfung, bis auf Noah. Dann wird er versöhnlicher und schwört: "Ich will hinfort nicht mehr schlagen, was da lebt" (1. Mose 8, 21). Der Erinnerung an diesen zivilisatorischen Fortschritt Gottes dient fortan der Regenbogen. Der äußeren Flut ging die innere voran, der Jähzorn Jahwes, der diesen wie einen altorientalischen Tyrannen überschwemmt hatte.

Interpretation: Die Flut ist glücklicherweise immer ein vorübergehender Zustand, sie versinnbildlicht den seelischen Zustand der Anspannung, der emotionalen Erregung und Begeisterung, der Überflutung von Fantasien, Gefühlen, Bedürfnissen und unbewussten Inhalten. Auf diesen Zustand folgt eine Phase der Entspannung, der Ruhe und Erholung. Auch redensartlich wird Flut auch für eine sehr große Menge von etwas verwendet, die man nur schwer oder gar nicht bewältigen kann z. B. eine Flut von Briefen oder eine Flut von Reizen.

Diese Überflutung ist häufig mit der Angst verbunden, in den aufsteigenden Emotionen unterzugehen, die Kontrolle und die Orientierung zu verlieren, von heftigen Affekten und Leidenschaften, der Wut, der Gier, Rache und Eifersucht oder anderen Schattenaspekten (Schatten) hinweggespült zu werden oder gar verrückt zu werden.

Manchmal können uns andere helfen im Kampf gegen die Flut, vorausgesetzt, wir schlagen ihren Rat nicht betört in den Wind. Es geht darum, sich an einen Ort zu retten, wo die Gefühle einen nicht überschwemmen können. Oft droht die Flut zu Beginn der Individuation. Bisher Verdrängtes kommt zum Vorschein. Die Staumauern, welche die Persona aufgebaut hat, bekommen Risse. Das Aufgestaute drückt durch und will mit Macht einströmen ins Leben. Man wittert neues Leben, neue Energie, neue Vitalität! Die Sehnsucht danach wird übermächtig. Die Versuchung, die Schleusen zu öffnen und sich von der Flut mitreißen zu lassen, ist fast unwiderstehlich.

Ein Beispiel: Eine junge Frau, von ihrer Großmutter mit harten Prinzipien erzogen, leidet unter Gefühlsarmut. Sie sucht einen Psychotherapeuten auf. Erstmals in ihrem Leben fühlt sie sich wirklich angenommen und verstanden. Sie ist so glücklich, dass sie sich Hals über Kopf in den Therapeuten verliebt und diesen unbedingt und sofort heiraten will. Sie ist von dieser Idee wie eine Närrin total besessen. Das ist die Flut.

Nun hat sie aber einen Traum: "Ich stehe vor einem Sumpf. An dessen anderem Ende steht ein Haus, zu dem ich gelangen muss. Aber es gibt keine Chance, durch den Sumpf hindurch zu kommen! Doch da kommt mein Therapeut und zeigt mir, wie man hier Bäume pflanzen kann, die das Wasser aufsaugen und den Sumpf trocken legen."

Das Selbst der jungen Frau zeigt einen Weg aus der Flut: Bäume pflanzen, eine neue Persönlichkeit aufbauen. Das unnütz herumliegende Wasser, die versumpften Gefühle, dienen dem Aufbau. Therapeut und Patientin müssen nicht versumpfen. Die junge Frau findet heim zu sich selbst.

Wie man die Flut überleben kann, zeigen auch Mythen und Märchen: In der Bibel baut sich Noah eine gut verpichte Arche. Im japanischen Märchen "Bruder und Schwester" klettern beide den Weltenbaum empor, als die Flut kommt; so können sie den Kopf oben behalten. Als Odysseus bei den Sirenen vorbeisegelt, spürt er, wie seine Widerstandskraft gegen deren betörenden Gesang nachlässt. Da befiehlt er, ihn am Mast festzubinden, bis die unwiderstehliche Musik vorbei sei.

Literatur: Standard, Kaufmann, R. (1998)

Autor: Kaufmann, Rolf