Puella aeterna

Aus symbolonline.eu
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Keyword: Puella aeterna, das Mädchen

Definition: Die Puella aeterna (lat. ewiges Mädchen) ist eine Symbolfigur für junges Leben, Frühling, Schönheit.

Links: Eros-Prinzip, Gottesbild, Jugend, Schönheit

Information: Bekannte Beispiele aus der Mythologie sind die Frühlingsbringerinnen Kore aus dem Demeter-Mythos, Flora bei den Lateinern und die germanische Ostara.

Oft treten junge Mädchen auch kollektiv, als Elementargeister auf. Die Germanen verehrten die Töchter der Sonne, die Mythen erzählen von Mädchen, die als Nymphen, Nixen oder Sirenen das Wasser oder Dyaden die Bäume bewohnen. Mythen und Märchen erzählen von Schwanenjungfrauen, von Feen mit einer Feenkönigin und Elfen mit einer Elfenkönigin. Als schöne, tanzende, singende, bezaubernde Gestalten symbolisieren sie die Geheimnisse der Natur, die den Menschen faszinieren, ihm aber auch die Sinne verwirren. In christlicher Zeit wurden sie zu bedrohlichen Hexen.

Die Mondphasen (Mond), der Vegetationszyklus und Menarcheriten mögen den Hintergrund bilden für die Unterweltfahrt (Nachtmeerfahrt) des Mädchens, die sich vor allem in Märchen spiegelt. Die Göttin selbst scheint dem Mädchen Feind zu sein, bewirkt deren Untergang, aber auch deren Wandlung. Die sumerische Göttin Inanna findet in der Unterwelt bei ihrer Todesschwester Ereschkigal fast den Tod. In „Amor und Psyche“ muss Psyche die Aufgaben der feindseligen Aphrodite lösen.

In den Grimmschen Märchen Schneewittchen, Aschenputtel und anderen wird eine böse Stiefmutter zur tödlichen Feindin, Dornröschen erliegt fast dem Fluch der 13. Fee und fällt in einen hundertjährigen Schlaf. Aber wie Kore, deren Wiederkehr aus der Unterwelt in den Erleusinischen Mysterien jährlich begangen wurde, erscheint das Mädchen aus dem Tod und der Unterwelt strahlender und machtvoller als zuvor. Psyche wird zuletzt sogar in den Olymp erhoben. Ihre Vertrautheit mit unterweltlichen Mächten befähigt das Mädchen als Hexentochter, den Helden aus der Unterwelt zu retten oder die Ränke der Bösen zu durchschauen (Mardschana in Ali Baba und die vierzig Räuber). In dem Märchen „Die Schöne und das Tier“ opfert sich die Heldin für den Vater, dessen Leben bedroht ist, kann aber das böse Tier durch ihre Liebe aus seinem Zauber lösen. Als Schwester schließlich ist das Mädchen in Märchen (Märchen Brüderchen und Schwesterchen) und in einigen Kulturen eine liebevolle, hilfreiche und rettende Partnerin ihres Bruders. Bekanntestes mythisches Beispiel ist das Geschwisterpaar Artemis und Apoll.

Interpretation: Mädchen personifizieren das „ewig Weibliche, das uns hinanzieht“ (Goethe). So wird Dante von Beatrice durch die Hölle bis zum Himmel geführt. Die Griechen verehrten die neun Musen als inspirierende junge Mädchen.

In der Neuzeit wurde das Mädchen zur allegorischen Gestalt nicht nur vieler Tugenden wie Glaube, Hoffnung und Liebe, sondern auch der französischen Revolution (Gemälde von Eugène Delacroix). Die von Beethoven vertonte Ode von Friedrich Schiller „An die Freude, Tochter aus Elysium“ ist heute die Hymne der Europäischen Union. Der Name Europa selbst verdankt sich dem Mythos von einer phönizischen Prinzessin, die von Zeus in der Gestalt eines weißen Stiers nach Kreta entführt worden ist. Im Übrigen ist eher eine Deprivation des Mädchens zu verzeichnen. An der Wende zum 19. Jahrhundert wurde Salome, die Tänzerin, zur Symbolgestalt einer männermordenden Schönheit, und die Romangestalt Lolita zum Inbegriff der Verführung.

Zahlreiche Kulte und Rituale ehren eine puella aeterna. In Sikkim und anderen asiatischen Ländern wird bis in die Gegenwart ein ausgewähltes Menschenmädchen als Göttin verehrt. Mädchen werden dort den Tempeln geopfert, als Tänzerinnen ausgebildet, später allerdings zur Prostitution (Prostituierte) gezwungen. In Schweden tragen zum Lucia-Fest junge Mädchen einen Kranz aus Kerzen. Marienwallfahrten und Marienerscheinungen sind nach wie vor populär, und insbesondere die Jungfrau von Lourdes wird als zartes Mädchen dargestellt. In den Weinanbaugebieten Deutschlands wird jährlich eine Weinkönigin gewählt, beim Kölner Karneval tanzen die Funkchenmariechen. Auch das „Münchner Christkindl“ ist ein Mädchen. Puppen, mit denen kleine Mädchen spielen, stellen kindhafte Mädchen dar. Die Werbung nutzt das Mädchen für ihre Zwecke, ob für Nahrung, Autos, Mode, Parfums. Die Models müssen so jung sein wie möglich. Aber auch die Kinderpornografie hat Konjunktur, ebenso der Sextourismus und der Handel mit möglichst jungen Mädchen. Mädchen wie Anne Frank und Sophie Scholl wurden zu Symbolfiguren für das Leiden unter der Nazidiktatur und den Widerstand dagegen.

Die Begeisterung für die Sissi-Filme und insbesondere die weltweite Trauer beim Tod von Lady Diana zeigen, wie stark viele Menschen auch heute auf die Symbolgestalt einer schönen, mädchenhaften Frau reagieren. Der Emanzipationsbewegung der Frauen entsprechend hat Astrid Lindgren in „Pippi Langstrumpf“ eine Gestalt geschaffen, die das Widerständige und Unangepasste der puella aeterna zum Ausdruck bringt. Frauen haben in der Weltliteratur Märchen aufgespürt, in denen Mädchen und junge Frauen aktive Heldinnen sind.

Beim Mann kann puella aeterna als kindhafte Animagestalt erstaunliche Reifungsschritte in Gang setzen, ausgelöst nicht selten durch eine konkrete Tochter oder Enkelin.

Literatur: Standard

Autor: Wöller, Hildegunde