Schwert

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Keyword: Schwert

Links: Aggression, Bewusstsein, Heros-Prinzip, Messer, Waffe

Definition: Ein Schwert ist eine Hieb- und Stichwaffe mit kurzem Griff und langer, relativ breiter, ein- od. zweischneidiger Klinge.

Information: Das Schwert besitzt in den verschiedenen Heldenerzählungen häufig eine herausragende Bedeutung. Oft ist es golden, mit einer Inschrift versehen und am Griff mit magischen Edelsteinen verziert. Es trägt einen eigenen Namen: König Artus' Schwert heißt Excalibur, Dietrich von Berns Schwerter heißen Nagelring und Eckesachs, und Sigurd nennt das seine Gram. Wie eine schwer erreichbare Kostbarkeit wird es manchmal erst nach langer Suche an verborgenem Ort gefunden. Es besitzt übernatürliche Kräfte und Weisheit; es kennt seinen rechtmäßigen Besitzer und macht ihn unbesiegbar. Manchmal stammt es von Riesen ab, manchmal wurde es von Zwergen geschmiedet, manchmal, wie bei Sigurd, ist es das Schwert des verstorbenen Vaters.

Interpretation: Der besondere Wert des Schwertes liegt wohl darin, dass es die wesentlichen Qualitäten solcher elementarer Waffen wie Stab, Keule und Lanze in sich vereint und noch um die Kraft des Schneidens, Teilens und Trennens erweitert. Es ist so etwas wie die "Quintessenz" dieser Waffen, es ist ihre differenzierteste Form.

Die menschliche Bewusstseinsentwicklung ist, wie wir sie beim Kind gut beobachten können, auf "aggressive" Handlungen wie Abgrenzung, Loslösung, Trennung, Durchsetzung eigenen Willens und Widerstand (Trotz) angewiesen. Das Kind arbeitet lange Zeit mit der "Keulen-Psychologie", es hat Jähzorns-Anfälle, kann in seiner Wut alles um sich zerstören und kennt wenig Skrupel, Vater und Mutter kurzfristig "sterben" zu lassen. Auf diese Weise übt es seine Ich-Kräfte. Wenn es gute "Lehrmeister" hat, dann wird das Kind im Laufe seiner Kindheit und Jugend lernen, diese Waffen immer geschickter zu handhaben, und es wird sich schließlich sein eigenes Schwert schmieden, wie z. B. in der Siegfried-Heldensage. Es wird damit immer besser unterscheiden können, was innen und außen, was mein und dein und was gut und böse ist. Sein Bewusstsein von sich selbst und der Welt wird vertrauensvoll, optimistisch und realistisch sein.

Mit dieser Fähigkeit zur Unterscheidung ist sehr eng auch die Fähigkeit zur tatkräftigen Entscheidung verbunden. Entscheiden kann sich nur, wer verschiedene Alternativen unterscheiden und bewerten kann. Das Schwert wird somit zu einem Symbol von tatkräftiger Entscheidungsfähigkeit, von Entschlossenheit, Mut und Initiative.

Aufgrund der Tatsache, dass menschliches Bewusstsein und persönliche Identität in hohem Maße mit der Fähigkeit der Unterscheidung und der Teilung in polare Positionen verbunden ist, lässt sich das Schwert, das häufig nicht nur zwei Schneiden hat, sondern auch zweizuteilen vermag, auch als ein Symbol des Denkens und des Bewusstseins auffassen.

Von Alexander dem Großen wird berichtet, wie er das Problem des Gordischen Knotens löste. Der phrygische König Gorgios hatte einen komplizierten Knoten an einen dem Zeus geweihten Streitwagen geflochten. Es ging die Sage, dass demjenigen die Herrschaft über Asien gehöre, dem es gelinge, den Knoten zu lösen. Da offenbar nicht genau festgelegt worden war, mit welchen Mitteln dies zu geschehen hatte, soll Alexander der Große ihn im Jahre 333 vor unserer Zeitrechnung kurzerhand mit einem kräftigen Schwertstreich zerschlagen haben. Angepasste und konformistische Menschen würden wohl versuchen, auf den üblichen Wegen das Problem zu lösen, und "verstrickten" sich dadurch möglicherweise nur immer mehr in dieses hinein. Sie wagen es nicht, eine kraftvolle Entscheidung zu treffen und damit etwas zu tun, was "unerlaubt" im Sinne unseres kollektiven Denkens und Urteilens wäre. Anders dagegen der schöpferische Mensch. Er findet neue Lösungen deshalb, weil er wagt, auch das "Unerlaubte" und das "Tabuisierte" zu denken und zu tun.

Neben diesen Aspekten gibt es noch zahlreiche andere Hinweise darauf, dass das Schwert als ein Symbol klarer Bewusstheit und höherer Einsicht verstanden werden kann. In der buddhistischen Psychologie beispielsweise wird das menschliche Dasein als eine Art "gordischer Knoten" aufgefasst oder auch als ein Netz leidvoller Bindungen und Verstrickungen, in das wir von der Spinne der Täuschungen, der Eitelkeit, der Triebhaftigkeit und der Unbewusstheit eingefangen und verwickelt werden. Dementsprechend erhält das Schwert hier jene Bedeutung des lichtvollen Bewusstseins, das uns mit Hilfe der erlösenden Macht der Erkenntnis die Befreiung aus den Fesseln der Unwissenheit und das Erwachen aus dem Schlaf des Unbewusstseins bringt. Und wenn Jesus von sich sagt: "Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert", dann scheint er auch auf diese erlösende Wirkung hinzuweisen.

Die menschliche Reife einer Kultur und Gesellschaft zeigt sich vor allem in ihrem Bemühen, allen ihren Mitgliedern Gleichberechtigung und Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Entwicklung der Menschheit hat in dieser Hinsicht in den letzten Jahrtausenden einige Fortschritte gemacht. Während Hiob seine Freunde noch vor Gottes vergeltungssüchtigem Schwert als Ausdruck seines unberechenbaren Zornes und seiner ungerechten Willkür warnen musste, ist das Schwert in der modernen Rechtsprechung Sinnbild objektiven Urteilens, Richtens und Entscheidens.

Aber das Alte Testament enthält auch viele Beispiele weisen Denkens, zum Beispiel in den Zehn Geboten des Mose oder in der schönen Geschichte vom salomonischen Urteil. Dort hat das Schwert die doppelte Bedeutung einer primitiven und einer weisen Rechtsprechung. Zwei Frauen behaupten, Mutter desselben Kindes zu sein. Salomo macht einen psychologischen "Mutterschaftstest": Er lässt ein Schwert holen und befiehlt, das Kind zu zerteilen, damit jede Mutter eine Hälfte bekomme. Die wahre Mutter offenbart sich Salomo dadurch, dass sie auf ihre Kindeshälfte zugunsten des Kindes verzichtet. Damit wird das Schwert zu einem Symbol der Weisheit Salomos.

Literatur: Standard, Müller (1987)

Autor: Müller, Lutz