Uranos

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Keyword: Uranos

Links: Astrologie, Blitz, Himmel, Intuition, Logos-Prinzip

Definition: Uranos ist in der griechischen Mythologie (gr. uranós = Himmel) der Sohn und Gatte der Gaia (Chaos, Ur-Erde) und bezeichnet auch den transsaturnischen Planeten, der 1781 von Herschel und Bode entdeckt wurde.

Information: Der Titan Uranos, erster Göttervater der griechischen Mythengeschichte, wurde von seinem Sohn Kronos entmannt. Der Mythos erzählt, dass Uranos, Sohn und Gatte der Gaia, diese allnächtlich umarmte, worauf sie eine Reihe von Kindern (z. B. Okeanos, Thetys, Hyperion, Rhea, Memnosyne) und von schreckenerregenden Ungeheuern (die Zyklopen, die Hundertarmigen) gebar, die Uranos aber nicht konfrontieren wollte. Er „barg sie im Innern Gaias und sperrte ihnen den Zugang zum Licht“ (Hesiod, vs 157). Da gebar die „elend bedrängte, gewaltige Gaia“ (ebda, vs 159) eine Sichel aus Stahl und stiftete Kronos zur „Revolution“ (Kastration des Vaters) an. Entmannt zog sich Uranos in den Himmel zurück, von wo er fortan weisen Rat gab.

Interpretation: Vermutlich berichtet der Mythos von der bewusstseinsgeschichtlich bedeutsamen Differenzierung und Wandlung eines projizierten archetypischen Inhalts naturhaft symbiotischer Omnipotenz zur (schmerzhaften) Bewusstwerdung entsprechend dem universalen Motiv der Weltelterntrennung. Durch die Trennung entsteht eine neue Dimension: Zu Anfang gleicht Uranos noch den alten Regen- und Sturmgöttern. Nach dem blitzartigen Schnitt der Sichel jedoch hat der uranische Himmel nichts mehr mit dem naturhaften Wirkungsbereich zu tun. Wie der Blitz kennzeichnet er den plötzlichen Einfall und Umsprung als ein Zeichen des Himmelsarchetypus, in dem sich etwas Neues zeigt: die blitzartige Intuition aus neu erschlossener und erschließender Offenheit (z. B. aus der Freiheit von Triebbindungen), die scharfe Klarheit des Geistes, die sich einstellen kann, wenn das Bewusstsein nicht mehr distanzlos fixiert ist.

Der Planet Uranos wurde erst kurz vor der französischen Revolution entdeckt, der die Utopie einer Gesellschaft freier, selbstbestimmter und verantwortlicher Individuen zugrunde lag. Doch die geistigen Ideale von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ (für alle) wurden damals bekanntlich durch brutalste Gewaltsamkeit durchkreuzt; es entstand eine ideologische Spaltung, für welche die Guillotine, das Abtrennen des Kopfes vom Körper äußeres Bild ist. Viele intellektuelle zeitgenössische Freiheitsschwärmer wollten die anarchistischen Maßlosigkeiten der Revolution nicht wahrhaben, so wenig wie Uranos seine missgebildeten Kinder. Paradoxes Charakteristikum und Schatten der meisten geschichtlichen Umstürze ist, dass die Menschlichkeit sog. „Menschheitsidealen“ geopfert wird.

Als Archetypus steht Uranos für alle prometheischen Akte contra naturam (gegen die Natur), denen häufig eine titanische Gewaltsamkeit anhaftet. Das gilt auch für die Produkte der Kernspaltung: Man kann mittels Uran nicht nur Atomstrom erzeugen: dieses uranische Erzeugnis („Kind“) ist unberechenbar und kann im Umfeld Furchtbares anrichten, wie Tschernobyl gezeigt hat. Auch die Art, mit Nebenprodukten der Atomstromerzeugung umzugehen (sie in die Erde, in Höhlen, den „Leib der Gaia“ Erde, Höhlen zurückzustopfen ohne Ansehen der Folgen), erinnert sehr an den mythischen Uranos. Mit einer Wiederkehr des Verdrängten (Re-Volution) hatte dieser nicht gerechnet, er hielt seine Möglichkeiten für unbegrenzt und wollte sie, ohne Rücksicht auf die Qualen der Gaia, für sich alleine haben. Erst die schmerzhafte Rebellion des Unterdrückten setzt den Himmelsarchetypus frei. Dieser zeigt sich selbst in der Schattenwirkung noch als „schöpferischer Sprung“, (auch evolutionär, in der Entstehung der Arten und der Bewusstwerdung) mit dem das scheinbar Undenkbare denkbar wird.

Der Archetypus des Uranos ist auf Überschreitung und Öffnung gerichtet. Überall, im Individuellen wie auch Kollektiven, wo plötzliche Störungen auftreten, in Fehlleistungen, „Unglücksfällen“, im Extrem in Terrorakten, ist Uranos am Werk und will zu größerer Offenheit des Bewusstseins führen. In der Alltagswelt werden dafür Ersätze gesucht: Strukturelle Bindungslosigkeit, Outing- und Outdoor-Wellen, Apartheiten aller Art, Single-Dasein, Versuche zu schockieren durch grelle Effekte etc. Ein neues Symptom ist „Flash-Mobbing“, das plötzliche Erscheinen und Wiederverschwinden einer Gruppe an drahtlos abgesprochenem Ort. Überreizte Event-Sucht, karnevalistisches Aufmischen des Unterhaltungs- und Freizeitwesens können als versuchte Durchbrüche auf eine andere Bewusstseinsebene gesehen werden. Astrologisch gesehen ist Uranus der „Herrscher“ des Tierkreiszeichens Wassermann. Bis 1781 regierte dort Saturn. Letzterer zeigt seine Zuständigkeit dort noch immer in der Rechthaberei, die auf dem Grund des Rebellischen häufig zu finden ist. Im „archetypischen Haushalt“ des Einzelnen steht das Uranische symbolisch für eine starke schöpferische Energie, die dazu neigt, Freiheit von einengenden Gewordenheiten und Konventionen mit überraschenden und manchmal drastischen Mitteln zu erzwingen. Typisch für Uranus sind plötzliche, oft bizarre Einfälle und Zufallsverknüpfungen. Ist das Selbstkonzept zu eng und zu starr, werden die uranischen Kräfte als erschreckende Störung, im Grenzfall als psychotischer Einbruch erlebt. Im positiven Fall bringt der Blitz des Uranus die Öffnung für das Neue, den Geistesblitz, die rettende Idee, die das Herkömmliche (saturnal Geprägte) überschreitet, den genialischen Einfall, die Emanzipation, die Ahnung einer „transsaturnischen“ Bewusstseinsdimension.

Literatur: Standard, Romankiewicz, 2002

Autor: Romankiewicz, Brigitte