Wald

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Keyword: Wald

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Definition: Der Begriff Wald geht aus dem Germanischen hervor (lat. silva). Nach den Gebrüdern Grimm versteht man unter Wald „eine größere, dicht mit hochstämmigem Holz ( [...] ) bestandene Fläche“. Der Hain erstreckt sich in Abgrenzung zum Wald nicht grenzenlos, sondern als überschaubare und beschauliche Ansammlung von Bäumen.

Information: Die heute deutschsprachigen Gebiete bestanden ursprünglich fast ausschließlich aus Wald, woraus sich der von den Germanen herrührende Kult um ihn erklärt, der sich bis über die Romantik hinaus - eng verbunden mit deutsch-tümelnder Heimatverehrung - erhalten hat.

Interpretation: Dem Wald als Symbol ursprünglicher und unendlicher Natur wurde durch Rodung immer mehr kultivierte Fläche abgewonnen. Hieraus erklärt sich der Bedeutungswandel vom Mittelalter, in dem der Wald als unwirtlich-mystischer Lebensraum wilder Kreaturen gilt, bis zur Neuzeit, in der er eher für Abgeschiedenheit vom Treiben der Welt steht. Beide Bedeutungsebenen deuten auf seinen Charakter als Schwellensymbol hin, den Wald als Grenze zwischen der Kulturwesenhaftigkeit des Menschen und seines natürlich-animalischen Urgrunds. Neben den Germanen betrieben viele andere europäische Völker einen Kult um den Wald. So ist er z. B. den Kelten wichtigstes Heiligtum und den Balten noch bis ins 19. Jh. Versammlungs- und Opferplatz. In den indischen Religionen gilt er als die Wohnung des Schöpfergottes, der Brahma Wald, durch welchen das Bewusstsein seinen Schicksalsweg zur Lichtung bzw. zur Erleuchtung findet. In allen ursprünglichen Deutungen fungiert der Wald als Symbol für das Unbewusste schlechthin, als Ort von Prüfung und Initiation auf dem Weg zur Bewusstwerdung. Der Mensch zieht in den Wald, um, indem er sein Geheimnis ergründet, Erkenntnis zu gewinnen, allen voran Adam und Eva, die im biblischen Paradieswald durch die Frucht des Baums der Erkenntnis irdisches Bewusstsein erlangen. In Märchen, Sagen und Legenden wird zuerst einer oder mehrere junge Menschen in einen geheimnisvollen Wald geschickt, in dem gute wie böse Geister hausen: Waldgeister, Dämonen, Feen, Hexen, Riesen und Zwerge. In der Begegnung mit ihnen (z. B. bei „Rotkäppchen“ und „Hänsel und Gretel“) vollzieht sich ein Initiationsritus, der eine bisher verdrängte Seite des Menschen zum Vorschein bringt und ihn so an Erfahrung und Bewusstsein reicher wieder aus dem Wald entlässt. In der Neuzeit findet das Waldmotiv in Kunst, Literatur und Musik, insbesondere in Idealismus und Romantik, unterschiedlich konnotierte Verwendungen. In spätgotischen Gewölben symbolisieren Stützen und Rippen die Stämme und Äste der Bäume eines Waldes, als dem heiligen Ort der Natur. In der Parzival -Dichtung wird der Held von seiner Mutter im Wald festgehalten, bevor er seinen Weg in die Welt hinausgeht, was auf eine Angst des Mannes vor dem bewaldeten (Venus-)Hügel der Frau hindeutet, dem Wald also als ein Symbol der Weiblichkeit und ihrer Verführungskraft. Indem der Wald mit Menschen bevölkert wird, wird er in Webers Oper „Der Freischütz“ zum ultimativen Symbol romantischer Weltanschauung erhoben. In den Bildern Max Ernsts geriert der Wald wieder zu einem Numinosum, zu einer düster wuchernden Wand, hinter der sich eine andere Welt verbirgt, die die Entfremdung des Menschen von der Ursprünglichkeit seiner Natur zum Ausdruck bringt. Diese Entfremdung hallt auch in den noch heute gebräuchlichen Sprichworten nach wie z. B. „Jemanden in den Wald schicken.“ und „Ich glaub ich steh im Wald.“ Darin wird der moderne Mensch seiner Selbstentfremdung in der Welt gewahr, aber nach wie vor auch seines Selbstfindungspotentials: „Wie man in den Wald ruft, also schallt es wieder hinaus.“ So gesehen, treffen wir im Wald immer nur auf uns selbst. Der Wald ist eines der umfassendsten Symbole für das Unbewusste. Er steht für die Begegnung mit der Angst vor seiner Unwägbarkeit einerseits und für sein Versprechen auf Erleuchtung andererseits. All dem, was uns in der Dunkelheit unseres Unbewussten in Gestalt von Fabelwesen und Tieren begegnet, mutet uns zunächst als fremd und unheimlich an, wenngleich stets faszinierend. Dieses Andere kann uns freundlich aber auch feindlich gesonnen sein. Dieses Andere führt uns in die Untiefen unserer Seele, in denen wir uns verlaufen können. Im Wald sind wir irgendwie ganz fremd und ganz wir selbst. Und wenn wir uns der Waldstimmung ganz hingeben, dann sind wir auch bald nicht mehr allein, da wir Freund und Feind in uns selbst begegnen, unseren intimsten Ängsten und Wünschen, die nicht selten eins sind. Wenn wir befürchten, im Wald verloren zu gehen oder gar zu sterben, dann meint das, dass wir niemals als dieselben aus ihm zurückkehren. Im Wald suchen wir nach Veränderung: „Das Zurückweichen in den Wald ist das symbolische Sterben vor der Wiedergeburt in der Initiation“ (Cooper). Im Wald stoßen wir vielleicht am ehesten auf die Schnittstelle zwischen individuellem und kollektivem Selbst. Nirgendwo sonst scheinen die Archetypen so sehr auf uns zuzugehen, obwohl wir uns dort doch scheinbar nur in die Dunkelheit unserer ureigensten Innerlichkeit hineinbegeben haben. In Heinrich Heines gleichnamigem Gedicht flieht der junge Protagonist vor den Menschen in die „Waldeinsamkeit“, um sich in einer von Waldgeistern bevölkerten Welt wiederzufinden. Im Zuge seiner Initiation begegnet er seinen Gefühlen und Gelüsten in Gestalt von Feen, Zwergen und anderen archetypischen Fabelwesen. Als offensichtlich gereifter, älterer Mensch sucht er später erneut nach der Ursprünglichkeit seines Selbst, das einmal ununterschieden erschien von dem kollektiven Selbst, das er sich einst im Wald erschloss. Nun muss er entdecken, dass es ihm in der Natur nicht mehr zugängig ist. Mit der angebeteten Nixe ist auch seine Leidenschaft verschwunden. Und der Wald ist nur noch ein konkreter Wald. Seine Schwelle zum Unbewussten ward ihm mit dem Erwachsenwerden verborgen. Nur noch in geistigem Gewahrwerden und künstlerischem Ausdruck wird die Waldidylle und ihre Wirksamkeit wieder lebendig.

Literatur: Standard

Autor: te Wildt, B. T