Kreuz

Aus symbolonline.eu
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Keyword: Kreuz

Links: Coniunctio, Ganzheit, Himmelsrichtungen, Mandala, Mystos-Prinzip, Mysterium coniunctionis, Polarität, Quadrat, Selbst, Vier

Definition: Ein Kreuz ist ein aus zwei sich rechtwinklig, seltener schräg schneidenden Achsen/Ebenen/Linien bestehendes Gebilde oder Zeichen.

Information: Das Kreuz kommt in der Natur vielfach vor: in geometrischer Form als Strukturprinzip bei Kristallgittern, als Formprinzip von Pflanzen in ihren Blüten- und Blattständen. Ebenso strukturiert es den Körperbau zahlreicher Lebewesen: vom Grätenskelett der Fische bis zum Körperbau der Säugetiere und des Menschen, deren Wirbelsäule mit den davon abzweigenden Rippen nach dem Kreuzprinzip gestaltet ist. Beim Körper des Menschen kann von einem "oberen Kreuz" zwischen den oberen Wirbel und dem Schultergürtel sowie einem "unteren" zwischen den Lendenwirbeln und dem Becken gesprochen werden. Auch das Gesicht des Menschen ist nach dem Kreuzprinzip angeordnet: Nasen- und Augenpartie einerseits, Nasen- und Mundpartie andererseits sind kreuzförmig einander zugeordnet. Das Kreuz ist ihm signaturhaft eingeprägt.

Viele Städte sind bestimmt durch ein Raster sich kreuzender Straßen. Alt ist das Wegkreuz, der Wegweiser, der Orientierung gibt. Als Warnkreuz mit diagonalen Balken steht es an Gefahrenstellen der Straßen. Das Rote Kreuz ist international Zeichen für Hilfe, selbst im Kriegsfall, wo es, im Zeichen des Christentums gegründet, Gegnerschaften durchkreuzen kann. In der Mathematik wird das Kreuz für die Rechnungsarten verwendet, die ein Mehr ergeben: das quadratische Kreuz zum Addieren, das Diagonalkreuz zum Multiplizieren. In unserer Kultur richten wir das Kreuz als Zeichen christlicher Auferstehungshoffnung als Grabkreuz auf.

Interpretation: Das Kreuz ist vor allem Kreuzung, Überschneidung, Treffpunkt zweier Linien, der Waagerechten, Linie des Ruhens, der irdischen Erstreckung und der Senkrechten, der Linie des Aufrechtstehens. Die Begegnung geschieht punktuell. Beide Linien kommen aus dem Offenen und erstrecken sich weiter ins Offene. Das Kreuz steht frei im Raum, hält die Balance auf einer geringen Standfläche. Es steht wie ein Mensch mit ausgebreiteten Armen. Es ist ausgespannt wie der Mensch zwischen oben und unten, rechts und links, zwischen Kopf und Füßen, zwischen Gebundenheit und Freiheit, Geistigem und Körperlichem, Bewusstem und Unbewusstem. So wird häufig in prähistorischen Höhlen das Kreuz als Zeichen für den Menschen gefunden, ganz abstrahiert oder, mit gespaltenem Hauptstamm die Beine andeutend wie auch in der archaischen chinesischen Schrift. In Kreuzesform mit ausgebreiteten Armen vor seiner Gottheit stehend, wird der Mensch auf Felszeichnungen in der Sahara und im Industal, in ägyptischen Tempeln, bei Assyrern und Babyloniern dargestellt. Diese freie Orantenhaltung kannten Juden, Griechen und Römer wie sie noch heute Indianer, afrikanische Massai, die Ureinwohner der Hawaii-Inseln und Inuit kennen: psychologisch verstanden als das Stehen vor ihrer Vision des größeren Selbst, letztlich des Alls.

Als übergreifende Form ist das Kreuz ein Integrationszeichen für spannungsreiche Gegensätze, als Koordinatenkreuz ein Zeichen für Zeit und Raum."Es ist das universalste Symbol der Mitteilung, des Mittlers – lange vor seiner Verwendung in der christlichen Bildsprache" (Heinz-Mohr).

Das gleichschenklige Kreuz, mit seinen vier Kreuzarmen eine crux quadrata, hat wie das Quadrat eine Viererstruktur und gehört also wie dieses, zum weiblichen Symbolbereich. Doch bildet es, im Gegensatz zum geschlossenen Quadrat, eine offene Form. Es steht seit frühester Zeit für die vier Jahreszeiten und die vier Sonnenwendepunkte und damit für Rhythmus und Maß, ein echtes Lebens- und Wandlungssymbol. Als astronomisches Zeichen kennzeichnet es die vier Himmelsrichtungen und galt bereits bei den Assyrern als Sonnensymbol. Das Kreuz, einem Kreis eingeschrieben, - das vielleicht älteste Kreuzzeichen - die vier Kreuzesarme als Speichen betrachtet, ergibt das Radkreuz, das wir bei asiatischen wie bei indogermanischen Völkern als Symbol des Sonnenlaufes finden. Auch das Swastika-Kreuz, später zum Hakenkreuz umgestaltet, mit seinen zur Radgestalt tendierenden Haken ist ein altes Feuer - und Sonnensymbol. Die Zentralbauten der orthodoxen Kirche, auf dem Grundriss eines gleichschenkligen griechischen Kreuzes errichtet, bieten ein Abbild kosmischer Weite des Alls. Das lateinische Kreuz mit Querschiff und seiner dominierenden Längsachse dagegen charakterisiert den Grundriss romanischer und gotischer Kirchen. Es ist das zentrale Symbol des Christentums. Die Achse der Transzendenz ist überdehnt im Vergleich zu der Achse der immanenten Wirklichkeit. So drückt das lateinische Kreuz, das an das Leidenskreuz Christi erinnert, als Zeichen einer "Leidensfrömmigkeit", einer "Kreuzestheologie", eine gewisse Abgehobenheit von der Erde aus, wie sie dem überlieferten Christentum eignet. In seiner Gestalt ist es bereits ein Abbild für ein Leiden unter der Überforderung durch die Transzendenz, einer Auffassung, die die Opferung der Welt und des ihr zugeordneten menschlichen Ich zu verlangen scheint. Teilhard de Chardin entwickelt eine andere Perspektive des Kreuzes, von der mehr statischen zu einer dynamischen hinüberweisend: "Das Kreuz ist nicht nur Symbol der dunklen regressiven Seite (…) sondern auch vor allem der erhabenen und lichten Seite des in Genese befindlichen Universums."

Zur Existenzerfahrung des Kreuzes gehört, dass es mit dem Leben "ein Kreuz" ist. Auch die Erfahrung des Scheiterns, wenn die bisherige Lebensrichtung "durchkreuzt" wird, zeigt, dass es eine Gegenbewegung zu der Richtung gibt, in der wir unser Leben bewusst steuern. Da der Mensch in seiner Gestalt die Kreuzstruktur in sich trägt, erfährt er die Aufgabe, Senkrechte und Waagerechte zusammenzubringen. Die Vierheit des gleichschenkligen Kreuzes wird als Symbol der Ganzheit der Wirklichkeit genommen. Dabei vermittelt die Horizontale als Linie der Fläche, rechts mit links – symbolisch Bewusstes mit Unbewusstem - nach dem Vorbild des Horizontes verbindend, die Vorstellung eines endlichen Raumes. Sie gleicht der Erde, der Bühne des Lebens, dem Alltag, dem, was wir gleichnishaft als matriarchal empfinden. Der Vertikalen, Höhe und Tiefe verbindend, eignet Aktivität und Dynamik, Über-sich-hinaus-wollen und immer erneuter Transformierung des Erreichten. Das männlich-schöpferische Prinzip, drängend, vorstoßend, drückt sich in ihr aus. Alfons Rosenberg nennt seine, die traditionell-christliche Interpretation überschreitende Studie "Kreuzmeditation - die Meditation des ganzen Menschen".

In einer "Tabelle der Fehlhaltungen" nach Helmut Stolze und der konzentrativen Bewegungstherapie weist er auf Einseitigkeiten angesichts von Überbetonungen an den Kreuzbalken hin, wie sie sich leiblich, aber auch seelisch-geistig niederschlagen können. Die Betonung der ganzen Querachse gleiche einer Erd- und Körperverbundenheit, einem auf Gemeinschaftlichem, u. U. der bloßen biologischen Existenz bezogen zu sein; ist nur der rechte Balken betont, weist es auf "Rechtshändigkeit", Aktivität nach außen, zum Du und der Welt, während die Verstärkung des linken Balkens eher passives Verhalten, Verharren in Tradition und Sitte, aber auch Hinwendung zur Innenwelt, zum Unbewussten, "Linkshändigkeit", darstellen könnte. Die Überbetonung der Längsachse zeigte einen Zug zum Transzendenten, zu Religiosität, zu aktiv-schöpferischer Unruhe; ist der obere Balken betont, entspräche es einer höheren Abstraktionsstufe in Bezug auf alle Bereiche des Lebens, einem gleichsam mathematischem Verständnis des Kosmos, eine abgespaltene Intellektualität, während die Betonung des unteren Balkens eine Gewichtung zugunsten der Lebenspraxis und Interessengebundenheit des Geistigen ergäbe, und in der Folge eine Neigung zur Ideologisierung oder Traditionsbindung.

Literatur: Standard

Autor: Riedel, Ingrid