Archetyp

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Keyword: Archetyp

Links: Amplifikation, Bild, Idee, Imago, Instinkt, Komplex, Unbewusstes, kollektives Selbst

Definition: Arche (griech.: Ursprung, Wesen, Ausgangspunkt für die Erkenntnis) wird von Aristoteles definiert als "das erste, von dem etwas ist, wird oder erkannt wird". Typ (griech. typos: Gepräge der Münzen, der Schlag und das dadurch Erzeugte, die Gestalt, die Form, das Muster, das Vorbild) bezeichnet die einer Gruppe von Personen oder Dingen gemeinsame Grundform oder Urgestalt, auch das prägnante oder vorbildliche Muster, das Charakter oder Gestalt einer solchen Gruppe rein darstellt.

Archetypen können heute als evolutionär erworbene artgemäße Muster des Erlebens, Funktionierens und Verhaltens des Menschen definiert werden. Sie sind unanschauliche, lediglich formal, nicht inhaltlich festgelegte Dispositionen, Möglichkeiten und Potenziale, die dem Wesen des Menschen in seiner unauflösbaren Wechselbeziehung zur öko-bio-sozio-kulturellen Mit- und Umwelt inhärent sind.

Information: "Unser Leben ist dasselbe, wie es seit Ewigkeiten war. Es ist jedenfalls in unserm Sinne nichts Vergängliches, denn dieselben physiologischen und psychologischen Prozesse, wie sie dem Menschen seit Hunderttausenden von Jahren eigneten, dauern immer noch an und geben dem innern Gefühl tiefste Ahnung einer "ewigen" Kontinuität des Lebendigen. Unser Selbst als ein Inbegriff unseres lebenden Systems enthält aber nicht nur den Niederschlag und die Summe alles gelebten Lebens, sondern ist auch der Ausgangspunkt, der schwangere Mutterboden alles zukünftigen Lebens, dessen Vorahnung dem innern Gefühl ebenso deutlich gegeben ist wie der historische Aspekt." (Jung, GW 7, § 303)

Interpretation: Von Jung wie von seinen Nachfolgern sind viele Archetypen und archetypische Motive beschrieben worden. Am bekanntesten sind der Mutter-, Vater- und Kindarchetyp (Kind, göttliches), der Archetyp des Schattens, der Anima und des Animus (Anima, Animus), des Helden (Heldenmythos, Heros-Prinzip), des Magiers, der Hexe, des Narren und des Tricksters, des Selbst, der/des Alten Weisen (Weise, alte / Weiser, alter), der Coniunctio und des Gottesbildes. In den Märchen, Mythen, den Religionen der Menschheit, der Kunst und Gesellschaft, sowie in den Fantasien Träumen, Visionen als auch den alltäglichen Erlebens-und Verhaltensweisen des Einzelnen findet sich reiches Material an solchen archetypischen Motiven. Die Anzahl der Archetypen ist einerseits "nach unten" hin – also in Richtung allgemeiner biologischer und psychischer Grundmöglichkeiten des Erlebens und Verhaltens, die die Menschen haben können – relativ begrenzt, andererseits sind ihre Ausdrucksformen "nach oben" hin – also in Richtung individueller Ausprägungen und Erscheinungsformen – offen, denn sie erscheinen im Einzelnen wie in der Gesellschaft in immer neuen schöpferischen Formen und Kombinationen.

Da es sich bei ihnen um kollektive, d. h. allgemein menschliche Phänomene handelt, wirken sie in allen Lebensbereichen. Sie motivieren die Fantasien und Handlungen des Einzelnen, der Gesellschaft und kulturelle Entwicklungen zum Guten wie zum Schlechten. Alle stärksten Impulse der Menschheit gehen auf Archetypen zurück. Das gilt insbesondere bei religiösen Vorstellungen, aber auch wissenschaftliche, philosophische und moralische Entwicklungen machen davon keine Ausnahme: "Unsere persönliche Psychologie ist nur eine dünne Haut, ein leichtes Kräuseln auf dem Ozean der kollektiven Psychologie. Der machtvolle Faktor, der Faktor, der unser Leben verändert, der die Oberfläche unserer bekannten Welt verändert und der Geschichte macht, ist die kollektive Psychologie, und die kollektive Psychologie bewegt sich nach Gesetzen, die von denen unseres Bewusstseins von Grund auf verschieden sind. Die Archetypen sind die großen entscheidenden Mächte, sie bringen die echten Ereignisse hervor, und nicht unser persönlicher Verstand und praktischer Intellekt [...] Es sind ohne Zweifel die archetypischen Bilder, die das Schicksal des Menschen bestimmen." Jung, C. G., nach Jacobi, J., 1971, S. 63)

Archetypische Faktoren können, wenn sie lange aus dem Leben eines Einzelnen oder einer Gesellschaft ausgeschlossen worden sind, eine hohe emotionalen "Ladung" (Komplex) und Energie besitzen. Sie üben dann, wenn sie sich "konstellieren", eine starke Faszination (Numinoses) aus und führen leicht zu einer unbewussten Identifikation mit ihnen, wodurch es zu einer psychischen Infektion und Inflation im Einzelnen wie im Kollektiven kommen kann."Die gigantischen Katastrophen, die uns bedrohen, sind keine Elementarereignisse physischer oder biologischer Natur, sondern psychische Ereignisse. Uns bedrohen in schreckenerregendem Maße Kriege und Revolutionen, die nichts anderes sind als psychische Epidemien. Jederzeit können einige Millionen Menschen von einem Wahn befallen werden, und dann haben wir wieder einen Weltkrieg oder eine verheerende Revolution." (Jung, GW 17, § 302)

Literatur: Standard, Müller, L. / Müller (2007), Obrist (1990), Seifert (1981)

Autor: Müller, Lutz