Zehn

Aus symbolonline.eu
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Keyword: Zehn

Links: Ganzheit, Logos-Prinzip, Zahl

Definition: Die Zehn besitzt die Teiler 1, 2, 5 und 10. Aus arithmetischer Sicht ist sie damit echt teilbar und stellt die fünfte gerade natürliche Zahl dar. Die 10 ist die Basis des Dezimalsystems, das möglicherweise auf die Zahl der zehn menschlichen Finger zurückgeht. Die indogermanische Bedeutung (althochdeutsch "zehan") dürfte, ähnlich wie lateinisch "decem", mit zwei Hände zu deuten sein.

Information: Keine

Interpretation: Vor- und Frühgeschichte: Vergleichende kulturgeschichtliche Forschungen legen nahe, dass die Zehn immer dann symbolische Bedeutung bekam, wenn Kulturen mit Sonnen- und Mondgottheiten in Kontakt zueinander traten.

Alter Orient: In China existiert ein Sechzigerzyklus, der bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. bekannt war und bis heute zum Zählen der Tage und Jahre des traditionellen Kalenders verwendet wird. Die sechzig Kombinationen entstehen dadurch, dass eine Serie von zehn Zeichen (zehn Stämme genannt) mit einer von zwölf (zwölf Zweige genannt) fortlaufend verbunden wird, bis nach den sechzig möglichen Zweieranordnungen der Zyklus von vorne beginnt (siehe Zwölf. Die Etymologie der zehn Stämme in ihrer Funktion als Zählzeichen ist bisher unbekannt. - Die buddhistischen Lehrreden zeigen sehr ausgeprägt die altindische Tendenz, Begriffe in Zahlengruppen zusammenzufassen. Ein wichtiges Beispiel zur Zehn sind die Fragen des Novizen im Khuddakapatha, die die zehn Eigenschaften betreffen, die ein Heiliger aufweist, der des Nirvana teilhaftig wird.

Antike: Da sich die Zehn als Dreieckszahl figurieren lässt, galt sie im Pythagoreismus als männlich. Zudem ist sie die Summe der ersten vier natürlichen Zahlen (10 = 1+2+3+4). Als 10=1+2+3+4 umfasste sie außerdem die Bedeutungen von 1, 2, 3 und 4. Wegen dieser Eigenschaften galt die Zehn den Pythagoreern als vollkommenste Zahl und wurde ihnen zur heiligen Vierheit (Tetraktys), auf die sie bei der Aufnahme in den Bund einen Eid abzulegen hatten. - Im ursprünglichen Platonismus bezog man die Zehn auf Proportionen, die auf Zahlenbeziehungen der fünf regelmäßigen oder kosmischen Körper beruhten (z. B.: 2:3:4 = ... = 10:15:20 = ... oder 3:4:6:10 =... = 15:20:30:50 =..., Sechs und Zwölf). Sicher war auch nicht bedeutungslos, dass beim Achtflächner (Oktaeder) an jede der 6 Ecken immer 4 gleiche Seitenflächen grenzen. Der spekulative Neoplatonismus hingegen griff verstärkt auf die pythagoreische Zahlensymbolik zurück, ließ aber deren mathematischen Gehalt und Hintergrund weitgehend außer Acht. - Als geometrische Darstellung der Zehn gebrauchte man in der Antike das regelmäßige Zehneck. Dabei maßen die Anhänger pythagoreischer und platonischer Auffassungen der Tatsache große Wichtigkeit zu, dass dessen Seitenlänge der größere Abschnitt des nach dem Goldenen Schnitt geteilten Umkreisradius ist. Das Dekagon wurde aber oft zum Zehnstern (Dekagramm) abgewandelt.

Monotheistische Religionen: Im Alten Testament wurde Gottes Verhältnis zum erwählten Volk, das durch Zuwendung und Forderung gekennzeichnet ist, mit der Zehn in Verbindung gebracht. Das alphabetische hebräische Ziffernsystem drückte sie durch den zehnten Buchstaben Jod aus. Mit diesem Zuordnungsprinzip bestimmten rabbinische Gelehrte lange vor der Zeit der Kabbalisten und ihrer Gematria systematisch den Zahlenwert von Worten und brachten dann solche mit gleicher Quersumme inhaltlich in Verbindung. - Im christlichen Verständnis wurde die Zehn zum Hinweis auf ein vollkommenes Ganzes. In dieser symbolischen Deutung verschmolzen die Zehn Gebote als Gesetz des Alten Bundes mit den entsprechenden pythagoreisch-neoplatonischen Vorstellungen. Von den aus der Zehn durch Multiplikation hergeleiteten christlichen Symbolzahlen standen die 40 für Prüfung und Versuchung, die 50 für Freude, die 100 für Fülle und Reichtum im Geiste und schließlich die 1000 für Ewigkeit. Nur in der Apokalypse, die das Neue Testament abschließt, bekam die Zehn im Christentum eine ungünstige Bedeutung durch die zehn Hörner des Tieres, auf dem die babylonische Buhlerin reitet. - Im Islam wurde die Zehn dem zehnten arabischen Buchstaben Ja zugeordnet, der Gott als Jassin, d. h. als Befehlshaber kennzeichnet. Seine mystischen Richtungen praktizieren seit ihrer Entstehung ein von der rabbinischen Zahlenspekulation angeregtes Verfahren, das als Hisabal Dschumal - Errechnen der Summe - bezeichnet wird.

Hermetische Überlieferung: Seit dem Hochmittelalter wird ein Zusammenhang des zehnten Himmelshauses des Horoskops mit dem Beruf und der gesellschaftlichen Stellung angenommen.

Mathematik, Naturwissenschaften und Technik: Philolaos schuf ein pythagoreisches System der Astronomie, in dem ein Zentralfeuer durch Erde, Mond, Sonne, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn umkreist wurde. Seine Ideen waren insofern neu und richtungsweisend, da er die Erde unter die Planeten einordnete, deren Reihenfolge im wesentlichen richtig angab, sie wahrscheinlich als sich bewegende Kugeln auffasste und meinte, dass ihre Entfernungen durch mathematische Proportionen geregelt seien. (Nach den akustischen Theorien der Pythagoreer sollten dadurch die Sphärenharmonien hervorgerufen werden.) Dass Philolaos auch Sonne und Mond zu den Wandelsternen rechnete, entsprach hingegen den akzeptierten Vorstellungen der Zeit. Um insgesamt auf die heilige Zehnzahl seiner Bruderschaft zu kommen, postulierte er eine Gegenerde, die weder sichtbar noch durch ihre Wirkungen auffindbar sein sollte. Ungeachtet aller spekulativen Züge wurde dieses Bild des Kosmos, der harmonisch-schönen Weltordnung also, Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Vorstellungen zum Aufbau des Weltalls. Noch 2000 Jahre später berief sich Nikolaus Kopernikus mit Stolz auf die Pythagoreer als seine Lehrmeister und das heliozentrische System wurde zunächst als Astronomia Philolaica bezeichnet.

Gegenwartssprache und Redewendungen: In der deutschen Gegenwartssprache tritt die Zehn in folgenden Redewendungen auf: jemanden etwas zehnmal (also oftmals) erklären, sagen, ...; nicht bis zehn zählen können (also geistig zurückgeblieben sein); Mahlers Zehnte geben (also Mahlers 10. Sinfonie aufführen); die zehnte Muse bevorzugen (also das Kabarett den anderen Kunstformen vorziehen). Ferner erscheint die Zehn in der Wortbildung Zehnkampf. Damit wird ein aus zehn Einzeldisziplinen bestehender Wettkampf der Leichtathleten bezeichnet, bei dem jeweils fünf an zwei aufeinander folgenden Tagen durchgeführt werden. In den Zusammenhang mit der Zehn gehören auch das Substantiv Dezimation und das Verb dezimieren. Beide leiten sich vom römischen Rechtsbrauch ab, nach einer niedergeschlagenen Meuterei einer Truppeneinheit jeden zehnten Mann mit dem Tode zu bestrafen. Die Dezimation wurde in Europa zuletzt im Dreißigjährigen Krieg systematisch ausgeübt, so dass beide Worte heute in übertragener Bedeutung zur Bezeichnung der starken Verminderung einer Anzahl oder eines Bestandes verwendet werden. Ebenfalls an einen Rechtsbrauch erinnert das Substantiv Zehnt. Es war die seit dem 5./6. Jahrhundert von der Kirche geforderte und mit dem Pentateuch begründete Vermögensabgabe der Laien zum Unterhalt des Klerus, die meist jährlich zu erbringen war und in der Regel aus dem zehnten Teil der Erträgnisse bestand, die auf einem Grundstück gewonnen wurden. Im deutschen Staatenbund hob man den Zehnt bis 1850 auf und ersetzte ihn durch die noch heute übliche Kirchensteuer.

Tiefenpsychologie: Die Zehn für sich allein und als ganzes sowie ihre geometrischen Entsprechungen Dekagon und Dekagramm symbolisieren in der Regel Vollständigkeit - wohl in Analogie zur Gesamtheit der zehn Finger. Tritt dagegen die Zehn in Verbindung mit der Fünf oder irgendwie in einer Zweiergruppierung auf, dann kann sie auf Ehe, Partnerschaft oder allgemein auf eine emotionsbehaftete Zweierbeziehung verweisen.

Beispiel: Ein Träumer hatte für 10 Franken Zehnermarken und für 20 Franken Zwanzigermarken gestohlen und befand sich vor dem Büro der väterlichen Fabrik. Die Zweiergruppierung mit der Zehn bezeichnete im Traum seine Schwierigkeiten mit den Erwartungen des Vaters, der wünschte, dass er die Traditionen einer angesehenen Familie weiterführen sollte. Obwohl der Träumer innerlich dazu nicht bereit war, nutzte er das Familienvermögen ausgiebig für seinen gehobenen Lebensstil, was die Dreihundert gestohlenen Briefmarken symbolisch zum Ausdruck bringen.

Literatur: Standard; Ifrah, G. (1986): Universalgeschichte der Zahlen

Autor: B. Fritzsche, E. Heinke